Wie kam der Cowboy in die Wüste?
„Hauptsächlich weil mein Dad CRAZY ist“
Jetzt erzähle ich euch bereits seit drei Monaten was vom
Pferd – von Pferdetraining, von Rancharbeit und von Menschen, die ich hier noch
nie richtig vorgestellt habe. Also wie hat das eigentlich begonnen mit den namibischen
Cowboys, irgendwo im Nirgendwo der afrikanischen Wüste?
Eine kleine Herde auf Koiimasis
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„In der Wüste wird
man irgendwann verrückt“
Die Geschichte begann mit Wulff Izko, der bereits als
Junge mit seinem ungesattelten Pony stundenlag durch Berg und Tal ritt um Wildpferde
zu beobachten. Geboren wurde er in Deutschland (– aus Versehen), ist aber ein
waschechter „Südwester“ und in Namibia auf einer Farm aufgewachsen. Vor knapp
30 Jahren kaufte er Koiimasis und lockte seine Frau Anke, in einem Jahr in dem
es besonders viel geregnet hatte, in die Wüste. Wulff präsentierte ihr eine
Farm die wunderschön grün war – darauf folgten
zwar direkt mehrere Jahre Trockenheit, aber da war es ja bereits zu spät…
Pferde haben Wulff schon immer fasziniert und auf
Koiimasis lebten damals knapp 100 Wildpferde. Aus den „John Wayne“-Fantasien
und der daraus gewachsenen Begeisterung für die Kultur des Wilden Westens,
wurde irgendwann ein (mehr oder weniger) konkreter Plan und Wulff lud 2006 seinen
ersten Cowboy auf die Ranch ein, um die Pferde zu trainieren und dadurch
vielleicht ein Standbein ins „Pferdebusiness“ zu bekommen.
Dieser erste Versuch schlug leider gänzlich fehl und der Deutsche
blieb als der „Plastik-Cowboy“ in Erinnerung, da er mehr am Computer saß als
auf dem Pferd. Zahlreiche kuriose Gestalten folgten, darunter Fettsäcke,
Alkoholiker und Kettenraucher. Einer versuchte die Wildpferde mit
Klickertraining zu zähmen, was gewaltig nach hinten los ging und mit einem
zertrümmerten Knie endete. Das schuldige Pferd hörte danach übrigens auf den
Namen Kicker – sehr passend. Es waren eine Menge „Horse Whisperer und
Bullshitter“ dabei, die sich aus der Entfernung als der neue ultimative
Pferdeflüsterer verkauften, mit den Pferden vor Ort aber überhaupt nicht
zurecht kamen.
Der erste erwähnenswerte Westernreiter der sich in die Namib-Wüste
verirrte war Marko Drahtring, welcher längere Zeit auf Koiimasis arbeitete und
auch im Cowboycamp lebte. Zu dieser Zeit ging der Junior Izko noch zur Schule
und konnte mit dem Pferdekram nicht viel anfangen…
„Geh mal Rinder
rein treiben“
Wenn Tommy in den Schulferien auf der Farm war (hierzulande
gehen die Farmerkids ins Internat, da die nächste Schule natürlich viel zu weit
weg ist um zu pendeln) hieß es immer nur: „hol mal ein paar Rinder rein“ und er
musste, zusammen mit den Arbeitern, Kühe treiben. „Ach, ich habe das gehasst!“,
erzählte Tommy. Damals gab es nämlich noch keine rittigen, gut ausgebildeten,
feinen Reitpferde auf Koiimasis. Das waren mehr oder weniger brutal angerittene
Wildpferde, die mehr gebuckelt haben und kopflos panisch umher gerast sind, als
alles andere. Dass Tommy daran keinen Spaß hatte kann man irgendwie
nachvollziehen, oder?
Gute Vorbilder
braucht der Cowboy
Das änderte sich erst in seinem letzten Schuljahr, als er
während der Ferien Marko und auch einigen Volontären beim Training zuschaute
und sich das eine oder andere abschaute. Das sah nämlich schon ganz anders aus,
denn dieses Pferdetraining basierte auf solidem Horsemanship und die Pferde
waren willig und fein.
2010 kam dann US Horseman Martin Black zum ersten Mal
nach Namibia und veranstaltete dort Reitkurse, sogenannte „Clinics“. Der
Amerikaner ist mit seinen Trainingsmethoden bereits durch die ganze Welt
getourt und hat sich in den USA auch im Turniersport einen Namen gemacht. Sein
Handwerk hat Martin bei namhaften Horsemen wie Charlie und Bill Van Norman, Ray
Hunt, Gene Lewis, Melvin Jones, Tom Dorrance und Tom Marvel gelernt. In seiner
Zeit als professioneller „Colt Starter“ hat er mehr als 400 Jungpferde pro Jahr
angeritten, darunter zahlreiche spätere Champions.
Der erste Kurs an dem Tommy teilnahm sollte eigentlich
ein Roping Kurs werden. Da aber kaum ein Teilnehmer überhaupt reiten konnte,
wurde daraus schnell ein Basis Horsemanship Kurs, von dem natürlich auch Tommy
und profitierte. Von da an war er auch in den Folgejahren immer mit dabei, wenn
Martin nach Namibia kam. Man kann also sagen, dass Wulff absolut den richtigen Riecher
gehabt hat, seinen Sohn zu diesem Trainer zu schicken, denn dadurch wurde
Tommys Pferdebegeisterung endgültig geweckt.
Tommy und Martin beim Roping |
‚Time to change‘
oder ‚trial and error‘
In der Zwischenzeit hatte Koiimasis Chef Wulff seine
Pferdezucht überdacht und war zu der Erkenntnis gekommen dass neues Blut her
musste, die Wildpferde waren einfach zu schwer zu zähmen. Der erste Versuch
einen Araberhengst in die Herde einzuführen schlug gänzlich fehl. Die Mischung
aus hypersensiblem Wildpferd und hyperaktivem Araber brachte Nachwuchs hervor,
der explosiver nicht hätte sein können. Aber ein wahrer Wüsten-Cowboy gibt
niemals auf und Fehler sind ja bekanntlich zum Lernen da. Der nächste Versuch im
Jahre 2003, mit einem Quarter Horse Hengst namens „Jabaroan“, fruchtete
wesentlich besser.
Jaba lebt heute leider nicht mehr, er hat aber über 100 Fohlen hinterlassen (Foto: Thomas Izko) |
Seine Nachzucht war bedeutend leichter zu Händeln und
weniger Menschenscheu. Dennoch behielten die Pferde ihre Zähheit und die Fähigkeit
in der Wüste zu überleben, für die sie ja im Grunde nicht geschaffen sind. Das Experiment war geglückt, die Gelassenheit und Coolness
des Quarter Horses mischte sich perfekt mit den Überlebensinstinkten der wilden
Pferde. Weitere Hengste folgten, darunter auch „Doc Bronson“ (Sire: Doc O'lena Chic; Dam: CR Princess Sugar), der
seine Zeit als Herdenchef mittlerweile hinter sich hat, da er in den letzten sieben
Jahren genug Nachwuchs produziert hat. In meinen drei Monaten auf Koiimasis
durfte ich bei seiner Ausbildung zum Reitpferd zuschauen – eine echt coole
Socke der Doc. Ein anderer, mittlerweile auch in „Rente“ gegangene, Hengst ist
„Poco Ol' Yeller“ (Sire: Poco King; Dam: Jaba Daughter) der erste Deckhengst
aus eigener Zucht.
Links seht ihr
Doc und rechts Yeller. Auf Koiimasis gibt es aber noch weitere Zuchthengste (Fotos: Thomas Izko)
|
Ich will damit nicht sagen, dass plötzlich lauter brave
bunte Schäfchen über die Ranch gehüpft sind. Die Pferde haben, trotz ihrer „beruhigten
DNA“ immer noch extrem geschärfte Instinkte. Das musste auch ich erst einmal
lernen. Hier huscht man nicht mal eben schnell hinterm Pferdepo entlang, bückt
sich unter dem Strick durch oder schmeißt den Sattel ohne Vorwarnung auf den Pferderücken,
denn das kann böse enden. „Immer ready sein!“, predigt Tommy stets, gar nicht so
einfach aus alten unbewussten Verhaltensmustern auszubrechen – aber ich schweife ab…
Blut geleckt
Mit diesen nun händelbaren Pferden und einem Trainer, der
zeigte wie man daraus richtige Reitpferde formen konnte, wurde Tommys Ehrgeiz
geweckt. Es begann in den Fingern zu kribbeln und er wollte sein eigenes Pferd
trainieren. Nachdem der erste Versuch fehl schlug „ich habe meine eigenen Ideen
probiert, hat nicht geklappt…“, gestand Tommy, begann er sich mehr und mehr
abzuschauen und erzielte erste eigene Erfolge.
Die Amerikaner auf
Koiimasis
Über Martin Black lernten die Izkos Mark und Miranda Lyon kennen. Die beiden sind in den USA sehr bekannte Trainer, mit jahrelanger
Pferdeerfahrung. Ihr Trainingsstil wurde beeinflusst von namhaften Horsemen wie
Ray Hunt, Peter Campbell, Buck Brannaman, und Martin Black. Beide geben Kurse in
Horsemanship, Ranch Riding, Ranch Horse Versatility, Trail, Reining,
Rinderarbeit uvm. Auch in der US-amerikanischen Turnierszene sind beide
wohlbekannt. Den, wie ich finde, eindrucksvollsten Sieg hat Mark im Jahre 2008
davon getragen, als er das „Extreme Mustang Makeover“ mit seinem Hengst
„Christian“ gewann. Bei diesem Wettbewerb treten namhafte Trainer gegeneinander
an und haben 100 Tage Zeit einen wilden Mustang zu zähmen und am Ende das
Trainingsergebnis unter Beweis zu stellen.
Mark und Miranda |
Normalerweise touren die Zwei durch die USA, um dort zu
helfen wo sie gebraucht werden. 2013 erklärte sich das Ehepaar dazu bereit nach
Namibia zu kommen um dort zu trainieren und sogenannte „Colt Starter Clinics“ abzuhalten,
also Kurse, in denen gezeigt wird wie junge, rohe Pferde gestartet werden.
Diese Kurse waren aber auch dazu da den Einheimischen die Westernreitweise
sowie das Horsemanship nahe zu bringen und damit einen fairen und schonenden
Umgang mit den Vierbeinern. In Afrika werden Pferde häufig nur von den
schwarzen Arbeitern für die Rinderarbeit genutzt. Leider gehen diese mit den
Pferden aber oft um als wären sie Maschinen die, auf Teufel komm raus und im Zweifel
mit Gewalt, funktionieren müssen. „Man kann ihnen da gar keinen Vorwurf machen,
da sie es nie anders gelernt haben“, erklärte Tommy mir. Dennoch war ich
entsetzt, als er mir von der abergläubischen Praxis erzählte, den Pferden die
Ohrspitzen abzuknipsen, damit sie brav sind – und wieder schweife ich ab…
Diese Geschichte wurde mir bereits an meinem ersten Tag erzählt
|
Am allerersten Tag, an dem die Texaner in der namibischen
Wüste ankamen, entdeckte Mark das (mehr oder weniger) zahme Zebra, welches
zusammen mit den Pferden in Tommys Camp lebte. Der Cowboy war begeistert und
wollte seine Training Skills direkt an „Ziggy“ unter Beweis stellen. Leider ist
so ein Zebra kein Pferd, auch wenn es (fast) so aussieht… Ziggy ließ sich von
dem dahergelaufenen Ami nix erzählen – der erste gezielte Tritt mit seinen kleinen
harten Hufen traf (wortwörtlich) mitten ins Auge. Nun ja, seither hat Mark ein Glasauge
und Ziggy´s Fell hängt in Texas bei Mark überm Kamin (– aber erst nachdem das
Zebra eines natürlichen Todes gestorben war!).
Im ersten Jahr fanden die Reitkurse also nur mit Miranda
statt, da Mark sich logischerweise lieber im eigenen Land medizinisch versorgen
ließ.
Dieser kleine (Rück-)Schlag hinderte die beiden aber
nicht weiter und sie kamen auch in den Folgejahren immer wieder nach Koiimasis
und veranstalteten Kurse überall im Land, an denen natürlich auch Tommy
teilnahm und jede Menge lernen durfte.
Clinic 2015 |
Und heute?
So kam es, dass aus dem einen Jahr, welches Tommy sich
vor Studienbeginn nehmen wollte um auf der Ranch zu arbeiten, inzwischen sechs
Jahre geworden sind. Mittlerweile ist er Chef des Cowboycamps und verantwortlich
für Training, Ausbildung, Pferdezucht und Verkauf. Eine ganz schöne
Verantwortung, aber man merkt deutlich, dass seine Eltern absolut hinter ihm stehen
und stolz auf ihn und seine Arbeit sind.
Sein Trainingsansatz basiert stark auf dem klassischen
california vaquero Horsemanship, mit dem Ziel ein Allrounder Pferd zu formen
welches gleichermaßen eingesetzt werden kann für Viehtriebe, Roping, Cutting, aber
auch für Trails und viele weitere Bereiche.
Welcher Name passt
am besten zu einem stattlichen schwarzen Hengst? Na klar, Knubbel!
Während meiner Zeit auf Koiimasis durfte ich bei der
Ausbildung eines jungen Hengstes zuschauen. „Knubbel“, wie wir ihn wegen dem
komischen Wulst auf seiner Stirn getauft haben, kam frisch von Korais (der Farm
auf der die Junghengste aufwachsen), ohne vorher irgendwelche (guten)
Erfahrungen mit Menschen gemacht zu haben.
Tommy startete Knubbel mit Hilfe seines Pferdes „JJ“. Vom
Pferd aus lassen sich Dinge wie menschliche Berührung, das Tragen eines
Halfters und vor allem das Nachgeben auf Druck viel leichter beibringen.
Das mit dem Rope sieht vielleicht etwas brutal aus, aber diese Pferde lassen sich nun mal nicht anders einfangen, da sie keine Menschen kennen |
Sobald das Pferd seine Gegenwehr aufgibt, löst sich auch der Druck durch das Rope und es lernt: 'Rum springen doof, Nachgeben gut' |
Die Fahne eignet sich prima als verlängerter Arm und macht gleichzeitig gruselige Geräusche, die das Pferd lernen muss zu akzeptieren |
Einem anderen Pferd zu folgen war ganz logisch für Knubbel, so lernte er schneller dem Druck des Rope nachzugeben |
Tommy arbeitete Knubbel aber auch viele Male vom Boden
aus, gewöhnte ihn daran überall mit der Fahne berührt zu werden, machte ihn mit
dem Halfter vertraut und damit angebunden zu sein.
Knubbel sollte lernen auf Druck zu weichen, aber
gleichzeitig Berührungen akzeptieren
|
Das Angebundensein war Knubbel nicht geheuer, aber es
gehört nun mal dazu
|
Im nächsten Schritt war die Gewöhnung an das Pad und dann
an den Sattel dran. Hier verhielt sich Knubbel mustergültig und hat „die tote
Kuh“ auf seinem Rücken schnell akzeptiert.
Knubbel wurde gescheucht um sich an das Gefühl und die Geräusche zu gewöhnen, die der Sattel macht |
Beim ersten Reitversuch ging Tommy ähnlich vorsichtig
vor. An einem Tag lehnte er sich nur über den Sattel und versuchte sein Gewicht
gleichmäßig zu verteilen. Am nächsten Tag hieß es dann aufsteigen. Diesmal durfte
ich mithelfen und stand mit der Fahne in der Mitte um Knubbel voran zu
treiben sobald Tommy mir das Zeichen gab. Auch hier verhielt sich Knubbelchen
vorbildlich, war zwar ordentlich aufgeregt, buckelte aber kein einziges Mal.
Ich hatte ein bisschen mehr Action erwartet
|
Da er ja bereits gelernt hatte dem menschengemachten
Druck zu weichen hörte er schon jetzt auf die richtigen Signale. Ich stand nur
als eine Art Security in der Mitte, falls Knubbel doch mal buckeln sollte, denn
ein Pferd das vorwärts läuft und dabei rum hüpft ist leichter zu sitzen als ein
Rodeopferd das auf einer Stelle rotiert.
Der Weg ist das
Ziel
Jegliche Trainingseinheit war immer darauf ausgelegt,
dass das junge Pferd seine Sensibilität behält. Zwar sollte er gelassen werden
gegenüber plötzlichen Berührungen, schnellen Bewegungen, lauten Geräuschen etc.
aber trotzdem seine Feinheit behalten um bereits auf die kleinsten Signale zu reagieren.
Das erfolgte durch eine präzise, abgestimmte und perfekt getimte Mischung aus
Druck und Nachlassen. Nach kürzester Zeit war Knubbel total auf Tommy fixiert
und liebte es von ihm gestreichelt zu werden „man kann nie genug streicheln“,
erklärte Tommy.
Sobald Knubbel nachgibt wird er zur Belohnung geknuddelt
|
Trotzdem durfte Knubbel natürlich nicht den Respekt
verlieren – sind schließlich immer noch knapp 400 Kilo Hengst. Die Balance
zwischen Druck und Nachgeben ist ein wahnsinnig schmaler Grad. Kennt man den
richtigen Punkt und schafft es dem Pferd diesen zu vermitteln, ist der Druck
irgendwann komplett überflüssig, weil das Pferd bereits reagiert bevor der
Mensch Kraft aufbauen muss. Ich fand es faszinierend zu beobachten, wie schnell
Knubbel lernte.
Ein Küsschen für Knubbel |
Das Ziel der Pferdeausbildung ist es also eine Beziehung
aufzubauen zwischen Pferd und Reiter um ein Pferd zu erhalten, „that wants to
function with the rider as one body and soul“.
Tommy und JJ – ein perfekt eingespieltes Team
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