Freda´s Auszeit Extended Version
Oder: Ein ganz neues Leben!
Ich weiß gar nicht wo ich anfangen
soll, nun bin ich schon seit einer Woche in Namibia auf Koiimasis und
kann ganz entspannt meinen zweiten Sonntag genießen, denn ein
Rückreisedatum habe ich noch nicht...
Aber erst einmal ganz von vorne...
Kurz
vor Weihnachten 2018 hat alles begonnen: Farmchef Wulff fragte mich, ob
ich mir vorstellen könnte länger auf Koiimasis zu bleiben, länger
als ein Urlaub, länger als drei Monate Volontariat, so lange ich
will, als das amtierende Cowgirl vom Cowboy-Camp (jetzt natürlich
Cowgirl-Camp). Meine Euphorie kannte keinen Grenzen und ich sagte
sofort zu, ohne groß nachzudenken, hatte ich meinen Koffer, in
meinem Kopf, doch bereits seit zwei Jahren gepackt.
Im Laufe meiner Vorbereitungszeit kamen
mir dann aber doch Zweifel und es gab einige Dinge und vor allem
Menschen, die mich meine spontane Entscheidung in Frage stellen
ließen. Ich beschloss erst noch einmal vorbeischauen, um mir ein
konkretes Bild machen zu können, was den Arbeitsablauf, die
Bezahlung, Sicherheiten und meinen Wohnort angehen würde. Vor Ort
bespricht sich eben doch alles viel leichter. Somit war ich 2019 noch
einmal für vier Wochen in Namibia und fällte meine endgültige
Entscheidung: ich würde alles in Deutschland aufgeben und den Sprung
ins Abenteuer wagen.
Welcome to CowGIRL Country |
Eine schwere Entscheidung
So eine Auswanderung zieht natürlich
jede Menge Vorbereitungskram mit sich. Für mein Arbeitsvisum (hierzu
später mehr) musste massig
Papierkram ausgefüllt und zusammen gesammelt werden, ich musste
wichtige Arztbesuche vorab erledigen, habe mich wegen einer
Krankenversicherung schlau gemacht, musste
mein kleines Auto verkaufen, meinen Job kündigen (was mir sehr
schwer gefallen ist, denn so tolle Kollegen findet man nicht alle
Tage!), musste einen Nachmieter für meine Wohnung finden, natürlich
packen und meine Möbel bei meiner Omi einlagern und und und...
Aber das Wichtigste war natürlich alle
Freunde nochmal zu sehen. So war ich die letzten zwei Monate vor
meiner Abreise fast täglich unterwegs. Zum krönenden Abschluss dann
mein letzter Samstag in der Düsseldorfer Altstadt, wo wir den Deckel
– und mich – im 'Kreuzherreneck' ordentlich vollgemacht haben.
Danke noch mal an alle die dort waren, auch an die, die sich nicht
mehr erinnern können! Es war großartig noch einmal mit euch
anzustoßen, zu tanzen und zu lachen!
Ein denkwürdiger Abend |
Tatsächlich war die Aussicht auf viele
einsame Stunden, das schwerste an meiner Entscheidung. Ich würde auf
Koiimasis vor allem für die Reittouren und die Volontäre zuständig
sein. Wenn es aber keine Buchungen gibt, gibt es natürlich auch
keine Gesellschaft... Natürlich sind die Farmer Anke und Wulff noch
vor Ort, aber die haben auch ihre Jobs und können nicht ständig zu
meiner Unterhaltung beitragen. Dennoch, selbst wenn ich nach einem halben Jahr wieder zurück kommen würde, hätte ich es wenigstens versucht und müsste mich nicht mein Leben lang fragen: "was wäre wenn?"...
Die Reise und ihre kleinen
Hindernisse
Am 14. Januar ging es dann endlich los.
Der Tag meiner Abreise war wie in Watte gepackt, ich fühlte mich wie
in Trance. Es gab so viel zu beachten und so viele Emotionen, die
dazwischenfunkten, dass ich einfach alles ausblendete und versuchte
meine Nervosität hinter mir zu lassen.
Somit konzentrierte ich mich erst
einmal auf die Dinge, die direkt vor mit lagen, in dem Fall mein
Gepäck. Ich hatte einen extra Koffer bei Eurowings aufgegeben, denn
ganz ehrlich, mit nur einem Koffer kann nicht mal ich auswandern.
Insgesamt wog mein Gepäck, inkl. Handgepäck, dann knapp 6 Kg mehr
als ich selbst – Ameisen sind nix gegen mich!
Cowgirl auf großer Reise |
Meine Mutter brachte mich zum
Düsseldorfer Hauptbahnhof – Bye Bye Mutti – und ich trat
meine Reise gen Namibia an. Schon beim Verlassen des Zuges in
Frankfurt scheiterte ich an meinem Übergepäck. Zum Glück waren die
Menschen überall sehr hilfsbereit. Auf der Rolltreppe, bzw. dem
Versuch diese zu erklimmen, meine ein älterer Mann: „Das kann man
sisch ja nisch mit angucken, kann isch ihnen helfe?“ Das Angebot
nahm ich dankend an.
Nun war ich also am Frankfurter
Flughafen angekommen und wollte als erstes mein Gepäck loswerden,
natürlich nicht ohne noch schnell von dem Typen am Check-in
veräppelt zu werden: „49 Kilo, das ist ein bisschen zu viel“,
kurzer Schock meinerseits, „Neee, das sind beide zusammen, passt
schon.“ – PUH
Ticket in ein neues Leben |
Nächster Stopp Sicherheitskontrolle.
Nicht mein erstes Mal, also Routine... bis dann irgendetwas
Sprengstoffalarm auslöste. „Kommn Se mal bitte rum.“ Als erstes
wurde ich gründlichst untersucht inklusive meiner Schuhe. Die arme
Frau tat mir ein bisschen leid, die ihre Hände in meine
verschwitzten Lederboots stecken musste... Ich war sauber, ach ne.
Mein Gepäck aber anscheinend nicht. Schnell wurde die Polizei
hinzu gerufen und die Herren filzten alles extrem gründlich.
Plötzlich: „Oh, was ist das?“ Ich
habe es schon in ihren Augen blitzen gesehen – Katsching,
der Fang des Tages! Da musste ich sie leider
enttäuschen. Ich hatte einige der Koiimasis Flyer in Backpapier
eingewickelt und im Seitenfach meines Rucksacks verstaut. Die
Polizisten dachten im ersten Moment es wäre ein dickes Geldbündel,
welches ich versuchen würde, außer Landes zu schmuggeln – schön
wär`s. Insgesamt war es aber trotzdem eine lustige, skurrile
Situation, denn alle Beteiligten blieben freundlich und gut gelaunt.
Einer der Polizisten hat nachher sogar einen meiner Flyer mitgenommen
– für seine Kollegin.
Windhoek ich komme
Der Flug verlief entspannt und ich habe
mich nett mit meiner Sitznachbarin unterhalten, die sich, nach 2
Wochen London, extrem auf ihr eigenes Bett in Windhoek freute.
Nach einer sicheren Landung kam die
obligatorische Schlange am Einreiseschalter... „When`s
your departure date?“ Durch eine Bekannte wusste ich, dass die
einen ohne gebuchtes Rückreiseticket nicht ins Land lassen, also
hatte ich einen günstigen Flug nach Kapstadt gebucht. Nur hatte ich
leider die falschen Unterlagen ausgedruckt und zwar die von 2019...
Mir wurde heiß... Die Dame am Schalter dementierte dies: „It´s
not hot, your just panicking – stop panicking!“ Das sagt sich so
leicht... Sie brauchte irgendetwas schriftliches: Handy? Kein
Internet! Ich fischte also meinen Laptop aus dem Handgepäck und fand
zum Glück eine abgespeicherte Reservierungsbestätigung (nicht die
Buchung) für den Flug, die natürlich komplett auf Deutsch war. Da
aber irgendwo das Wort „Kapstadt“, das Abreisedatum, sowie die
Fluglinie vermerkt waren, ließ mich die nette Dame doch noch
passieren und ich bekam mein, drei Monate gültiges, Touristen Visum
– puh!
Ach, und es war doch heiß, mit meinem tonnenschweren Handgepäck und den drei Lagen Flugzeugklamotten!
Ach, und es war doch heiß, mit meinem tonnenschweren Handgepäck und den drei Lagen Flugzeugklamotten!
Erstmal ins Hostel und etwas
entspannen – dachte ich
Ich würde die ersten Tage im Hostel
wohnen, bis Wulff und ich uns gen Wüste aufmachen sollten. Im Hostel
lernte ich jede Menge nette Leute kennen. Wobei 50% aller Gäste
sicher Deutsche waren – verrückt, oder doch nicht? Namibia ist
eben ein sehr beliebtes Reiseziel! Trotz Nebensaison war das Hostel
voll. Im Chameleon Backpackers, welches ich immer gerne
weiterempfehle, hatte ich in der ersten Nacht ein Einzelzimmer. Für
die klassischen Hostel Mehrbettzimmer bin ich einfach zu alt! Die
nächsten beiden Nächte musste ich dann allerdings in ein Zelt
umziehen, was aber halb so schlimm war.
Recht komfortabel das Zeltchen |
Die Izkos packen sich in Windhoek
natürlich immer ihren kompletten Terminkalender voll mit wichtigen
Erledigungen und Terminen. Somit war ich die Tage sehr viel mit Wulff
unterwegs: hier was einkaufen, da was abholen, dort was erledigen. Da
sieht man einige Ecken von der Stadt, die leider immer noch nicht
besonders sehenswert ist. Aber eines hat mich sehr positiv
überrascht. Hier gibt es tatsächlich Sushi. Ich hatte mich schon
darauf eingestellt etwas derartiges die nächste Zeit nicht mehr zu
bekommen, aber wir waren am ersten Abend mit Wulffs Tochter Kerstin
essen und die Karte bot eine leckere Auswahl.
Auf die Lorry fertig los
Am frühen Samstagmorgen ging es dann
endlich los gen Süden, nach Koiimasis. Die neue Lorry, der Laster
für Viehtransporte alles Art, fuhr uns vollbeladen durchs Land –
und wenn ich vollbeladen meine, dann stimmt das auch. Nach der
obligatorischen Gewichtskontrolle am Stadtrand, haben wir sicher noch
100 Sack Tierfutter eingeladen – Africa Style.
Hinten drin auch alle meine
Lebensmitteleinkäufe sowie der ganze Schnickschnack, den man so zum
Einrichten einer neuen Wohnung braucht: Klobürste, Wäschekorb,
Kleiderbügel...
12 Stunden und 15 Minuten waren wir mit diesem eleganten Gefährt unterwegs |
Endlich angekommen
Die Fahrt war lang, holprig, laut und
anstrengend, aber am Ende sind wir alle heil angekommen und das ist
ja die Hauptsache. Auf Koiimasis bezog ich erst einmal eines der
Gästezimmer, im sogenannten Adventure Village, in welchem
normalerweise die Reitgäste wohnen. In meinem, eigens für mich
hergerichteten Häuschen, fehlten noch ein paar Kleinigkeiten, die
noch erledigt werden sollten, bevor ich einziehen konnte.
Die erste Arbeitswoche –
Muskelkater, blaue Flecken und leichter Sonnenbrand
Der erste Arbeitstag startete bereits
sehr anstrengend. Ich holte alle Sättel aus der Kammer und reinigte
und ölte sämtliche Lederteile. Ich entfernte massig Staub, tote
sowie lebende Spinnen und Motten aus dem stickigen Kämmerlein und
sah im Anschluss aus wie eine Figur aus der Geisterbahn, wegen all
der Spinnweben.
Am zweiten Tag schwang ich mich endlich wieder in den Westernsattel |
Am Dienstag wurde mir das Ausmaß der
Trockenheit wieder sehr bewusst gemacht. Imanuel und ich sollten am
Nachmittag einige Rinder reinholen. Imanuel kenne ich noch von meinen
letzten beiden Besuchen hier. Er trainiert die Jungpferde, wenn diese
frisch reinkommen. Das habe ich bei meiner Jobbeschreibung nämlich
komplett ausgeschlossen, ich werde keine verrückten, buckelnden
jungen Wildpferde einreiten, das ist mir definitiv zu gefährlich!
Wie 2017 bereits beschrieben,
wachsen die Pferde hier wild und frei auf und kennen keine Menschen.
Ich bin dann für den Feinschliff zuständig, wenn Imanuel den ersten
Irrsinn rausgeritten hat. Es kann zwar immer noch etwas passieren,
aber das Risiko für Leib und Leben ist doch deutlich geringer!
Wo war ich stehen geblieben, ach ja,
bei der Trockenheit. Die Pferde sahen eigentlich noch ganz gut aus.
Zwar etwas rippig, aber dennoch stark, mit glänzendem Fell.
Mokka auf dem Weg in den Feierabend – schlank, aber stark das Kerlchen |
Die Rinder wiederum tun sich sehr viel
schwerer, sie können das kurze Gras nicht richtig abrupfen und
kommen auch nicht so hoch in die Berge, wie die Pferde. Wir brauchten
knapp 4 Stunden um 20 Rinder von A nach B zu treiben, da sie sich nur
im Schneckentempo fortbewegen konnten. Vorher mussten auch noch alle
kleinen Kälber aus der Herde genommen werden. Nach ein bisschen
extra Zuwendung wurden diese aber wieder mit ihren Müttern vereint –
keine Panik.
Ein paar der kleinen Kälber. Den weiten Weg zum Corral hätten sie aus eigener Kraft nicht geschafft |
Die Kühe waren fast alle sehr schwach
und sehr dünn. Jeden Tag fand Wulff welche die es nicht geschafft
hatten oder solche, die er von ihren Qualen erlösen musste. Ein
herber Schlag! Zum Glück und das muss ich noch einmal doppelt
betonen (!) hatte es auf der zweiten Farm Korais, weiter östlich,
bereits geregnet, weshalb alle Rinder, nach und nach mit der Lorry
dorthin transportiert wurden.
Seht ihr die Kuh links? Ein Raubtier hat ihr den Schwanz und beide Ohren abgebissen, aber sie hält sich wacker! |
Die Trockenheit auf Koiimasis ist
mittlerweile so schlimm, dass schon begonnen wurde die großen
Webervögel Nester auszuschlachten. Diese Nester bestehen aus Heu und
sehr mineralstoffreichem Guano (Vogelkacke), was den Rindern einen
enormen Push zu geben vermag. Es tut zwar wirklich weh zu sehen, wie
die Nester, an denen die Vögel oft jahrelang gebastelt haben,
abtransportiert und verfüttert werden, aber wenn ihr die hungrigen
Wiederkäuer gesehen hättet würdet ihr das verstehen. Die Vögel
wiederum beginnen sofort mit dem Neubau ihrer Schlösser.
Ein Webervogelnest, das noch stehen bleibt. Nach einigen Jahren stürzen diese Nester sowieso ab, da die Vögel den Baum ersticken und überlasten |
Weitere Arbeitstage folgten: Ich
unternahm eine kleine Tour mit zwei sehr netten Mädels aus Zürich
und arbeitete mit zwei Jungpferden am Boden. Brachte ein bisschen
Bewegung in Mokka und Attila, zwei unserer Top Reitpferde. Verpasste
den Pferden eine Wurmkur und flickte Sattelzeug und weiteres
Equipment. Eine ganze Woche voller Arbeit, die einen abends tot müde
ins Bett fallen lässt. Dennoch weiß man am Ende des Tages was man
getan hat und kann mit einem guten Gefühl – und Muskelkater –
einschlafen.
Wiedermal zwei Pferdemädels glücklich gemacht |
Wie geht`s jetzt weiter Frau Bauer?
Das ist eine gute Frage. Was sind meine
Pläne und was kommt als Nächstes? Ein Arbeitsvisum habe ich ja noch
nicht, wie oben bereits erwähnt. Das ist in Namibia auch leider nur
sehr schwer zu bekommen, für einen Ausländer. Wie in den meisten
Ländern, muss man hier sehr aufwändig nachweisen, dass niemand im
Land den Job besser machen kann. Also bin ich im Worst Case in drei
Monaten wieder zuhaue, was wir jetzt mal nicht hoffen wollen. Es
müssen einige und wenn ich einige sage meine ich ganz viele,
Unterlagen übersetzt, beglaubigt und eingereicht werden. Tatsächlich
hab ich Depp auch noch ein paar Papiere zuhause vergessen, die mir
meine Mutter nun hinterherschicken muss – danke Mammi!
Wulff fand den Umstand tatsächlich
eher amüsant, da nun bewiesen ist, dass nicht nur Afrikaner manchmal
Dinge verschludern... dennoch, wer mich kennt weiß wie fuchsig mich
das macht!
Wenn das mit dem Visum nun irgendwann
geklappt hat, gilt dieses in der Regel erst einmal für ein Jahr und
kann dann verlängert werden. Für mich persönlich habe ich ein
Zeitfenster von mindestens einem bis maximal fünf Jahren gesetzt,
die ich in Namibia arbeiten möchte. Auf meine Frage wie lange ich
denn überhaupt bleiben dürfte meinte Wulff, dass Roland (der
deutsche Auswanderer, der hier die Lodge managed) ihm einmal die
Felsspalte gezeigt hätte, wo er eines Tages seine Asche verstreuen
soll – aaahja, ok, gute Antwort!
Ich bezeichne meinen Schritt immer als
„Low Risiko Auswandern“ da ich weiß was mich erwartet, ich
bereits einen Job und ein Häuschen habe und natürlich auch
jederzeit nach Deutschland zurückkehren kann. Trotzdem gibt es noch
zahlreiche unwägbare
Risiken, die aber auch das Abenteuer ausmachen, oder nicht?
Mein Häuschen mit pferdigem Besuch. Hier gibt es drei Zimmer, das rechte ist meins. |
Spanner an meinem Badezimmerfenster - jetzt haben die Klippspringer was zu gucken |
Ich werde euch natürlich hierüber und
noch aktueller über Instagram @Koiimasis, auf dem Laufenden
halten. Es passieren täglich verrückte, kleine und große Abenteuer
und kein Tag ist wie der andere – seid gespannt!
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