Tough Times – Wie Corona mich in Namibia herausfordert

Eigentlich wollte ich mit dem Thema ja gar nicht anfangen, aber da ich immer wieder gefragt werde wie Corona mein neues Leben beeinflusst, habe ich mich an einen neuen Blog-Artikel gesetzt, um euch ein bisschen von meinen ganz persönlichen Herausforderungen zu berichten. 

Wie ihr ja wisst, bin ich nach Namibia ausgewandert, um auf Koiimasis das Reit-Tourismus Geschäft in Gang zu bringen. Als ich im Januar ankam trudelten bereits die ersten Buchungen ein – alles sah sehr vielversprechen aus. Und dann kam Corona…


Wir machen einen Plan

Zum Wortschatz der deutschsprachigen Namibianer gehört der Satz: „Da machen wir einen Plan!“, genauso wie das obligatorische „lekker“ oder der Begriff „Oukie“ was so viel wie Kerl oder Typ bedeutet: „Der Oukie fährt nen lekker Bakkie“ – Viel Spaß beim Übersetzten.

Ich habe mir eher den gegenteiligen Satz angewöhnt, nämlich, dass man in Namibia keine Pläne machen sollte… Bisher bezog ich das nur auf kleine Pläne, wie die Tagesplanung für meine Reitpferde bei der immer etwas dazwischen kommen konnte… Aber dass der große Plan, wegen dem ich überhaupt nach Namibia gekommen bin, in die Hose gehen würde, damit konnte nun wirklich keiner rechnen.

Zumindest hatte ich jede Menge Zeit mich um mein Hündchen zu kümmern, der in der Zwischenzeit extrem gewachsen ist

„Ach was, das dauert nicht lange,“ waren wir uns alle sicher „das ist doch nur Panikmache…“
Tja, war es wohl leider doch nicht. Es schien kein anderes Thema mehr zu geben und die Grenzen blieben monatelang zu. Unsere Reit-Touren wurden storniert und die meisten Urlauber aus dem Land ausgeflogen.

Lockdown – jetzt wird es ernst

Namibia reagierte schnell. Nach den ersten bestätigten Fällen (ein Paar aus Rumänien) stoppte die Regierung sofort die Flugverbindungen nach Katar, Äthiopien und Deutschland. Alle Schulen mussten schließen und Großveranstaltungen, wie der Karneval auf den ich mich schon gefreut hatte, wurden abgesagt. Am 17. März rief Staatspräsident Hage Geingob den Not- bzw. Ausnahmezustand aus. Zehn Tage später, am 27. März, folgte dann die Ausgangssperre die bis zum 05. Mai bestehen blieb. In der Zeit war auch der Verkauf von Alkohol untersagt, was leider eher den Missbrauch harter Drogen förderte, denn den Versuch gesellige Zusammenkünfte zu verhindern.


Ein Insta-Post der lokalen Biermarke


Langezeit verzeichnete Namibia nur sehr wenige Fälle, zuerst waren es ausschließlich Touristen, bis dann im Juli ein rasanter Anstieg stattfand – auch wegen erhöhter Test Rate. Jedoch immer noch nicht zu vergleichen mit den Fallzahlen in Europa.

Quelle: https://www.worldometers.info/coronavirus/country/namibia/
 

Ich war mir von Anfang an sicher, dass die Dunkelziffer deutlich höher sein musste da in den Townships sicher nicht anständig getestet wurde. Schnell ging im Land das Gerücht um, dass sich nur Weiße mit der Lungenerkrankung anstecken konnten. Natürlich totaler Quatsch, aber in einem Land das von Aberglauben, Armut und fehlender Aufklärung geprägt ist verbreiten sich solche Gerüchte wie ein Lauffeuer. Auch meine Stallkollegen kamen mit zahlreichen verrückten Theorien ums Eck, die sie irgendwo aufgeschnappt hatten.

Ein Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" vom 19.08.2020

 

Auf der Farm bekamen wir von dem ganzen Chaos nicht sonderlich viel mit, außer dass wir natürlich keine Gäste mehr hatten. Jeder von uns war anders betroffen.
Roland unser Lodge Manager musste schweren Herzens einen Großteil seiner Belegschaft entlassen und langweilte sich irgendwann fast zu Tode. So sehr, dass er sogar ab und zu an unserem wochenendlichen Braai Vergnügen teilnahm – früher war er dafür immer viel zu beschäftigt.
Farmerin Anke hatte zwar noch genug zu tun mit ihrer Jojoba Plantage, ihrer Moringa Ernte und ihren Katzen, aber auch sie merkte die finanziellen Einbußen, da die Kasse genau so leer blieb wie ihre Campsite.
Wer jetzt denkt, dass der Lockdown nur den Tourismus betraf, den muss ich leider enttäuschen. Auch Farmer Wulff waren die Hände gebunden. Während die Städte abgeriegelt waren, konnte auch er keine Tiere mehr verkaufen, da er sie nicht mehr zu den Auktionshäusern transportieren durfte. Mal ganz davon abgesehen, dass die Auktionen sowieso alle abgesagt waren.


Und ich? Ich hatte Hunger!

Die Essensbeschaffung wurde immer schwerer. Ok, verhungert ist auf Koiimasis niemand, trotzdem wurde es langsam knapp an der Frische-Front. Zum Glück gab es stets Eier, Fleisch und Wasser auf der Farm for fee – dennoch hätte ich zwischendurch gerne mal ein Stück Käse oder eine Gurke verputzt.
Mein Arbeitsalltag änderte sich tatsächlich kaum, bzw. ich machte einfach weiter wie bisher, da das Tour-Geschäft ja noch nicht angefangen hatte. Von nun an war ich ausschließlich Pferdetrainerin und bekam einige junge Pferde unter den Po gesetzt. Meine Tour-Pferde waren mittlerweile alle auf einem guten Stand und Wulff erhoffte sich, durch den Verkauf einiger Nachwuchspferde, die entstandenen finanziellen Lücken etwas aufzufüllen. Ich bezweifelte allerdings stark, dass mit dem Pferdeverkauf viel Geld reinkommen würde, da die Farmer, Lodger und Privatreiter im Land natürlich auch erhebliche Einbußen zu verzeichnen hatten. Nicht gerade die optimale Zeit sich ein neues, teures Reitpferd zuzulegen. Dennoch freute ich mich über meine Aufgabe. Meine Tage gingen rasend schnell um und irgendwann war Corona für uns kaum noch ein Thema. Nur wenn ich mit jemandem aus Deutschland telefonierte, war die Pandemie Gesprächsthema Nummer 1. Die Daheimgebliebenen waren sich einig, dass ich Deutschland zu genau dem Richtigen Zeitpunkt verlassen hatte - wobei ich ihnen nur zustimmen konnte. Jeder jammerte, fühlte sich eingesperrt, abgeschottet und gelangweilt. Verrückt, dass ich, die ich in der Namibischen Wüste lebte, zu der Zeit mehr Sozialkontakte vorweisen konnte als meine Freunde aus der deutschen Großstadt. 

Ein gemeinsamer Abend am Lagerfeuer, in Deutschland zu der Zeit VERBOTEN!
 

Nach einiger Zeit merkte ich jedoch, dass mein neuer Aufgabenbereich einige Herausforderungen bereithielt. Das Coltstarting, also das anreiten unserer Wildpferde, hatte ich bereits bei Jobzusage kategorisch ausgeschlossen, dennoch erklärte ich mich bereit das eine oder andere junge Pferd unter meine Fittiche zu nehmen. Bevor ich nach Namibia kam dachte ich noch, dass ich neben meinem Tour-Geschäft höchstens Mal ein bis zwei Jungpferde im Training haben würde… Was man nicht so alles denkt, wenn man versucht Pläne zu machen.
Da meine braven Pferdchen nun alle nach Korais umgezogen waren, um schön dick zu werden für die kommenden Gäste, blieben sowieso ausschließlich Jungpferde für mich übrig.



Sie hat sich stets bemüht

Die Pferde hier auf der Farm sind wirklich nicht vergleichbar mit Jungpferden in Deutschland. Einige Pferde sind bereits vor Jahren gestartet worden, seither aber kaum noch unterm Sattel gewesen. Außerdem haben zwischendurch die verschiedensten Cowboys ihre Spuren hinterlassen – nicht immer zugunsten der Tiere. Und ich sollte diese Spuren nun auswischen?! Dabei stieß ich irgendwann unweigerlich an meine Grenzen. Ich holte mir Hilfe bei einer sehr guten Trainerin in Deutschland, aber auch die konnte mir via WhatsApp nur bedingt weiterhelfen. Ansonsten war ich leider auf mich alleine gestellt. Mein Stallkollege Imanuel ist zwar ein furchtloser Coltstarter und lacht nur, wenn ihn wieder Mal ein wilder Hengst abgesetzt hat, darüber hinaus konnte er mir aber auch nicht weiterhelfen. 

Der letzte Cowboy hat ihm "zum Spaß" das Steigen beigebracht - jetzt ham wir den Salat...
 

Somit beschloss ich irgendwann, dass mir mein Leben doch zu viel Wert ist, um es im Sand der Namib enden zu lassen…

Nein – ich bin natürlich nicht nach Deutschland zurückgekehrt, ich setze mich nur nicht mehr auf die ganz verrückten Dinger. Keine Sorge so schnell bekommt mich hier keiner Weg!
Versteht mich bitte auch nicht falsch, ich genieße weiterhin jeden Augenblick und bin mir des Privilegs durchaus bewusst, mir meinen Traum erfüllen zu dürfen. Es gibt immer noch tausende tolle Momente rund ums Pferd und Afrika! Dennoch muss man ja auch irgendwann mal auf dem Boden der Tatsachen ankommen und erkennen, dass eben nicht alles nur heiter Ponyhof ist, sondern einen das Leben hier vor ganz neue Herausforderungen stellt die es zu meistern gilt. Man braucht eben doch immer einen Plan! 

Eines meiner absoluten Highlights war es die wilden Fohlen halfterzahm zu machen
 

Am Ende durfte ich sogar beim setzten der Brandzeichen assistieren

Neue Pläne – langsam wird’s eng!

Da sich der Regen dieses Jahr wieder einmal extrem zurückgehalten hat, wird auch bei knapp 40k Hektar Land irgendwann das Futter für (+/-) 250 Pferde knapp. Somit engagierte Wulff im Juli einen neuen Pferdetrainer dessen Hauptaufgabe es nun ist die „wilden Dinger“ einzureiten, um diese dann auf die Auktion zu schicken. Ein knochenharter, gefährlicher Job der, bei den Preisen für die ein Pferd hierzulande gehandelt wird, in keiner Relation steht – finde ich. Der Höchstpreis liegt aktuell bei knapp 10.000 Namibia Dollar das sind rund 500€. Ok, wir sind hier nicht in Deutschland, trotzdem finde ich es unverhältnismäßig.

Auch eine meiner neuen Aufgaben: das Basteln von Auktionsplakaten

Dennoch müssen wir den Bestand verringern - da kann man leider nichts machen. Viele der Pferde werden sicher als Arbeitspferde auf unterschiedlichsten Farmen landen und ich hoffe inständig, dass sie dort weiterhin gut behandelt werden. Leider liegt das nicht mehr in meiner Hand, auch wenn ich um jedes Pferdchen kämpfe! 

Kampf gewonnen – Junghengst Ginger darf sich beweisen und bleibt erst einmal in meiner Obhut
 

Aussitzen – Abwarten - Ausstehen

Mein Chef und ich sind also übereingekommen, dass ich dem Unternehmen mehr Geld einbringe, wenn ich am Leben bleibe um  wenn Corona ausgestanden ist die Touren zu leiten und unsere Gäste zu entertainen, so wie von Anfang an geplant. Somit heißt es jetzt für mich: Aussitzen und Tee trinken, oder lieber Kaffee… Nur noch die Besten Pferde, die garantiert – sofern man sowas garantieren kann – keine Menschen mehr töten wollen, gehen an mich und bekommen ihren Feinschliff. Das macht mir dann auch wieder jede Menge Spaß und ich kann beweisen, dass ich reiterlich doch was draufhabe.


So viel zu mir, auf meiner kleinen Insel namens Koiimasis

Ich werde die Krise also, so wie es jetzt aussieht, weitestgehend schmerzfrei überstehen. Abgesehen davon, dass ich aktuell nicht bezahlt werde – da meine Bezahlung auf Provisionsbasis an den Tourismus gekoppelt ist lebe ich hier zumindest mietfrei.

Der Großteil der Bevölkerung, vor allem die, die zu 100% vom Tourismus abhängig sind, müssen jedoch um ihre nackte Existenz fürchten. Tausende Menschen haben ihre Jobs verloren, was viele weitere Probleme mit sich zieht. Die Mittellose Bevölkerung leidet Hunger und ist auf Spenden aus dem Ausland angewiesen. Gleichzeitig steigt die Kriminalität und die Menschen greifen immer mehr zu illegalen Drogen. Auch die Wilderei ist in den letzten Wochen dramatisch angestiegen. Dabei meine ich nicht nur das Schießen von Elefanten oder Nashörnern, was man in Europa landläufig unter Wilderei versteht. Auch der Abschuss freilebender Gazellen wie Qryx oder Springbock ist illegal, sofern es nicht auf eigenem Grund und Boden passiert. Ok, die Menschen haben Hunger, dennoch rechtfertigt dies nicht ein unerlaubtes eindringen und den Diebstahl fremden Eigentums.

Jeder macht seine eigenen Pläne

Die Tourismus-Branche versucht nun Kundschaft im eigenen Land abzugreifen, mit Sonderpreisen und Local-Specials. Leider schlägt das nicht so ein wie erhofft. Auch wir haben ein super Sonderangebot um namibische Pferdefreunde anzulocken. Leider ist der Namibier sehr stolz und kontert die günstigen Preise mit einem: „Jetzt sind wir auf einmal gut genug für Euch?!?“ Absolut unverständlich für einen deutschen Schnäppchenjäger, der nur auf Corona-Rabatte gelauert hat - andere Länder andere Sitten.

Unser super Sonderangebot – leider noch ohne Buchung
 

Das Beste daraus machen

Ich (= deutscher Schnäppchenjäger) war natürlich begeistert von den günstigen Preisen und habe die Gunst der Stunde genutzt einmal ausführlich Urlaub zu machen. Auch der Etosha Nationalpark lockte nämlich mit besonders günstigen Preisen wodurch ich im Juli fünf unglaubliche Tage in der Natur genießen durfte. Quasi als kleiner Bonus war der Park auch noch fast menschenleer. Wo sonst ellenlange Autoschlangen am Wasserloch vorbeirollen, war jetzt kein Mensch in Sicht. Ich habe wirklich alles gesehen, was man sehen konnte: Elefanten, Nashörner, Giraffen, Zebras, Kudus, Gnus, Schakale… In der ersten Nacht im Okaukuejo Camp kam eine Löwin mit ihren drei Jungen zum Wasserloch. Einen Tag später habe ich einen Geparden gesehen, der es sich auf einem riesigen Termitenhügel bequem gemacht hatte. Das absolute Highlight passierte an Tag vier: die Sichtung eines wilden Leoparden. Ich habe mir berichten lassen, dass die wenigsten Einheimischen je ein solches Tier zu Gesicht bekommen haben – ein unglaublicher Glücksfall also!

Ich danke dem besten Tourguide aller Zeiten!

Ich habe tausende Fotos gemacht
 

Stand heute sollen die Grenzen am 18. September wieder geöffnet werden. Also bitte tragt alle fleißig eure Masken und haltet euch an die Regeln, damit es zu keiner zweiten Welle in Europa kommt und unser Präsident hier wieder alle Schotten dicht macht. Lange können wir das nämlich nicht mehr durchstehen… Danke!

 

Kommentare

  1. schön zu hören, dass es dir/euch da unten gut geht und die 2te Welle ist gerade im anrollen. Zumindest steigen die Zahlen hier wieder ^^

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