135,9 Kilometer und 27:35 Stunden im Sattel… Ein echtes Abenteuer!

Unser erster offizieller Gästeritt mit der neuen Route

Da hat der Tourismus in Namibia endlich wieder Fahrt aufgenommen und zack erklärt uns die halbe Welt zum Virusvariantengebiet. Ich will hier nicht über Corona diskutieren, oder mich beschweren, dass das Auswärtige Amt Namibia als „schwer von Covid19 betroffen“ eingestuft hat, als die 7-Tage Inzidenz hier noch bei 3 (D-R-E-I) lag…

Ich will euch von unserer Abenteuer Reitsafari erzählen. Von der ersten langen Tour, die ich seit meinem Unfall wieder geleitet habe. Von netten Gästen, super Glück mit dem Wetter, von fitten und vor allem braven Pferden und einem Abenteuer das seinesgleichen sucht!

Ausschau halten nach den kommenden Gästen

Hello Dude!

Zwei Wochen bevor die Gäste ankommen sollten, kam erstmal ein Volontär auf die Farm, oder wie wir jetzt sagen: „Ranch-Dude“. 

Der Begriff „Dude-Ranch“ stammt aus den USA und bedeutet nichts anderes als Gäste-Farm. Wir haben früher den geläufigen Begriff „Volontär“ benutzt, dies führte aber immer wieder zu Missverständnissen, die wir hoffen mit dem neuen Namen ausräumen zu können. Die Zeit als Ranch-Dude ist sozusagen eine Mischung aus Reiterferien und Freiwilligendienst. Deshalb ist der Aufenthalt auch wesentlich günstiger als reiner Urlaub. Der Beitrag geht zu 100% ins Projekt – physisch und monetär. Ranch-Dudes sind ein wichtiger Teil unserer Arbeit für und mit den Pferden. Als Ranch-Dude wird man aktiv in den Ranch-Alltag, in Pferdetraining und Ausbildung mit eingebunden. Auf Koiimasis arbeiten Pferdetrainer, Ranch-Dudes und Guides stets Hand in Hand. Jeder lernt von jedem und am meisten noch von den Pferden. Mehr Infos dazu gibts auf unserer Website.

Dude Reiner auf Nightwish – es ist wichtig, dass unsere Dudes viele verschiedene Pferde reiten

Reiner, 52 Jahre, verheiratet, keine Kinder aber ein Pferd, kam aus dem schönen Schwabenländle, was man ihm auch deutlich anhörte. Sein Englisch wiederum war von einem deutlichen Wyoming Akzent geprägt, was mich zuerst etwas verwirrt hat. Jeder der ihn sah und sprechen hörte hielt ihn für einen waschechten Ami. Nun hat er aber tatsächlich die letzten 30 Jahre sehr viel Zeit auf verschiedenen Ranches in den USA verbracht und dort sogar eine Guide Ausbildung gemacht. Das was ich hier in Namibia quasi „learning by doing“ mache, hat er zertifiziert und schwarz auf weiß. Dadurch war er mir eine super große Hilfe bei den Vorbereitungen und bei der Tour genauso. Zwar war er nicht der allerbeste Reitplatz-Reiter, was er auch selber wusste, dennoch haben seine Ruhe und Erfahrung sehr dazu beigetragen meine Nerven vor Ankunft der Gäste zu beruhigen.

Reiner hat nachher sogar selber, ohne mich unsere Anfängertouren geleitet

Ansonsten hat Reiner meine neue Einführungsrede auch komplett wörtlich genommen. Um die Dudes auf die richtige Spur zu bringen und meine Erwartungen an sie klar zu machen, habe ich mir ein paar Worte zurechtgelegt, die ich den Neuankömmlingen am ersten Tag mit auf den Weg geben will: „…Du bist hier nicht zum Urlaub machen, sondern um mich zu unterstützen. Dudes wie du dürfen die komplette Tour mitreiten, ich habe aber keine Zeit mich auch noch um deren Belange zu kümmern. Bei der Reit-Safari haben die Gäste immer Vorrang. Du weißt selber was deren Woche im Vergleich zu deinem Aufenthalt kostet. Ihr seid nicht Gäste zweiter Klasse, sondern bessere Praktikanten – das ist nun Mal so. Ihr seid aber natürlich auch nicht nur zum Scheiße schippen hier, sondern macht die gleichen Arbeiten die auch ich mache und das ist es ja wofür man herkommt, oder? Um hinter die Kulissen zu schauen und das echte Ranch Leben kennenzulernen, nicht nur die schöne Fassade die wir für die Gäste aufbauen...“

Er war jeden Morgen vor allen Anderen am Stall – was er nicht gemusst hätte – hat geholfen die Pferde reinzuholen, zu füttern, die Tränken aufgefüllt und hätte am liebsten noch jede Mittagspause durchgearbeitet. 

Screw your horse – Attila findet das etwas seltsam, was Reiner da mit dem Schraubenzieher veranstaltet

Vorbereitung ist alles

Mit tatkräftiger Unterstützung an meiner Seite konnte ich die Pferde nun richtig für die Tour vorbereiten. Reiner und ich sind jeden Vor- und Nachmittag viele Kilometer ausgeritten und haben die Routen für die Tour ausprobiert. Dafür sind wir an einem Tag sogar, zusammen mit meinem Co-Trainer Immanuel, die komplette Strecke über die Berge zur Farm Weißenborn Probegeritten. 35km ohne wirklich das Ziel zu kennen, das war aufregend aber auch super cool. 

Reiner und Mokka ganz cool


Welcome to Koiimasis

Am 30. Oktober kamen die lang ersehnten Gäste dann endlich an:
Thomas (56) aus Süddeutschland, mit seiner 16-jährigen Tochter Lara, die Beiden sind durch meine Facebook Werbung auf uns aufmerksam geworden und Anne 33 aus Dresden, die den Trip schon vor Monaten via Pferd und Reiter LINK gebucht hatte.

Ich hatte mir schon vorab Gedanken gemacht, wem ich welches Pferd zuteilen könnte und habe mit meiner Einschätzung voll ins Schwarze getroffen. Thomas sollte Mokka reiten, der war zwar etwas zu kurz für ihn, aber Mokka ist ausdauernd, hat einen starken Rücken und ein entspanntes Gemüt, obwohl man ihn auch nicht unterschätzen darf. Lara, die die beste von den drei Reitern war, sollte Santana reiten. Santana ist zwar eines unserer ältesten Reitpferde, aber aufgrund des großen Vollblutanteils welchen er von seiner Wildpferd Mutter mitbekommen hat, auch alles andere als faul. Anne, die unerfahrenste Westernreiterin, bekam unser bestes und verlässlichstes Pferd Attila zugeteilt. Reiner ritt den guten alten Nightwish, dem ich so eine lange Tour eigentlich nicht mehr zugetraut hatte, der aber bis zum Ende wie ein Soldat durchmarschiert ist. Ich ritt den guten Bobby, er ist wie Nightwish und Santana aus der ersten Generation der Koiimasis Quarter Horse Zucht und somit noch ein halbes Wildpferd.

Bobby unser Scheinzwerg – von weitem sieht er sehr klein aus, wegen seiner lustigen rosa Nase, aber eigentlich ist er eines der größten Pferde welches wir auf der Ranch haben.

Auf die Pferde fertig los

Am ersten Reittag hieß es vormittags erst einmal die Pferde kennenzulernen und sich mit der Ausrüstung vertraut zu machen. Ich hatte an alle Sättel ein Vorderzeug angebaut, da wir ja viel in den Bergen unterwegs sein würden und dieses dem Sattel mehr Stabilität geben sollte.
Am Nachmittag gingen wir dann bereits auf den ersten 15km Ritt. Die Strecke, an deren Ende damals am 28. April mein Unfall passiert war... Da die Gäste um meine Geschichte Bescheid wussten, waren sie auch super Verständnisvoll als ich sie bat auf den letzten Metern zum Stall abzusteigen und zu führen.

Meine tolle Reitapp hat alle Stecken aufgezeichnet. Grün bedeutet Schritt, Gelb Trab und Pink Galopp und bei Grau hat die App nen kurzen Aussetzer gehabt

Lekker Braai am Abend – hier Choppies, die mag ich besonders gerne

Der Zweite Tag – Buschmann Geschichten mit Tante Freda

Am Vormittag stand unsere Buschmann Runde an, die Tour, die ich sonst immer mit unseren Anfänger Gästen reite. Anne hatte nach den gestrigen 2,5 Stunden im Sattel bereits einen ordentlichen Muskelkater, weshalb sie mit Reiner am Stall blieb und einen kleinen Crashkurs in Sachen Bodenarbeit bekam. Das war denke ich auch super hilfreich für Anne, die so lernte wie cool ihr Attila eigentlich ist und dass sie dem großen Weißen voll und ganz vertrauen konnte.

Nur zwei Zuhörer – da muss ich nicht so schreien

Eine Stunde, 40 Minuten und 7,7 Kilometer – easy peasy
 

Am Nachmittag war Anne aber auch wieder mit dabei und wir ritten hoch in die Berge zu meinem Lieblingslatz, dem Buschmann Zelt. Ein getunnelter Felsen, auf einem wunderschönen Plateau, von dem die Buschmänner, die noch vor 100 Jahren dort lebten, einen unglaublichen Ausblick über die Savanne hatten. Thomas verglich den Abstieg mit einem Trail Parcours den er zuhause schon einmal geritten war. Der hatte damals für große Aufregung gesorgt – jetzt konnte er darüber nur noch müde lächeln. 

Den Ausblick genießen

Buschmänner und Frauen  
Abstieg – Sowas geht nur ohne Hufeisen!


Aus Fehlern lernen!

Wieder in der Ebene angekommen, legten wir einen schönen langen Galopp ein, in Richtung Osten zur letzten Tränke vor dem Grenztor zur Nachbarfarm Landsberg. Dort angekommen keuchte der kleine Santana plötzlich entsetzlich und versuchte sich hinzulegen. Lara sprang schnell runter und ich schaute zuallererst in sein Maul. Hatte er sich etwa verschluckt, war etwas in seinem Hals steckengeblieben? Sein Kreislauf war auch total down und er schwitzte enorm. „Ok, was mache ich jetzt, ist das jetzt schon die erste Gelegenheit das gemietete Satellitentelefon benutzen zu müssen?“, dachte ich. Bevor ich mir weitere Horrorszenarien ausmalen konnte, löste ich erst einmal den Sattelgurt und es machte ZISCH – nein, wirklich! Das Pferd füllte sich wieder mit Luft und sein Blick war direkt wieder klar. Ich hatte vor dem Abstieg vom Berg alle noch einmal gebeten den Sattelgurt zu überprüfen und ggf. noch einmal anzuziehen. Das hatte Lara nach meiner Anweisung auch brav gemacht, nur wohl doch etwas zu fest. Das Mädchen trifft dabei keine Schuld, das war ganz allein meine Verantwortung und ich hätte es überprüfen müssen – aber es ist ja zum Glück noch einmal alles gut gegangen und ich habe definitiv etwas dazugelernt – Puh!
Ich spritzte Santanas Brust, Hals und Flanken noch mit Wasser ab, um ihn etwas runterzukühlen und wir beschlossen erst einmal alle zu führen. Nach knapp 20 Minuten Fußmarsch und der Erkenntnis das Thomas ein ausgezeichneter Spurenleser ist: „Oh, da sind Vogel Spuren – Ah, ich glaube das war ein Vogel – Wenn ich das richtig erkenne ist dort ein Vogel langgelaufen…“, ja, ganze eindeutig ein Vogel Thomas, sehr gut! – setzten wir uns wieder auf unsere Ponys und Santana war wie eh und je ganz vorne mit dabei und fragte ob er jetzt endlich wieder Gas geben dürfe.

Drei Stunden, 37 Minuten und insgesamt 13,9 Kilometer
 

Wir ritten zu unserem Hausberg, dem Mittelpunkt der Ranch, von dessen Spitze man einen tollen Blick über das gesamte Farmgelände hat. Beim Abstieg zum Sattel des Berges fragte auf einmal jemand: „Was ist das denn da?“ und ich grinste nur. Ich hatte den Rückweg von der Tränke nämlich extra mit einem längeren Schrittmarsch hinausgezögert, um pünktlich zum Sonnenuntergang auf dem breiten Sattel des Berges zu sein. Mein Kollege hatte dort zuvor heimlich eine Kühlbox mit leckeren, kalten Sundowner Drinks und meiner Kamera deponiert. Das war eine gelungene Überraschung.

Sundowner sind in Namibia ein wichtiges Ritual
v.l.n.R.: Attila, Anne, Bobby, Freda, Nightwish, Reiner, Santana, Lara, Mokka und Thomas


Tag 3 – Cattle drive für City Slicker

Am nächsten Tag starteten wir früh morgens zu unserem ersten Cattle Drive. Dabei sammelten wir eine große Gruppe bei den ersten zwei Posten ein und trieben sie in Richtung Corral (auf Afrikaans Kraal). Kurz vor dem Kraal, setzte sich Immanuel ab, um noch weitere Rinder im Westen der Farm zu suchen. Thomas schaute mich an und fragte ob er nicht vielleicht Hilfe bräuchte.
„Na klar, nur zu, hinterher!“, antwortete ich ihm. Das ließ sich der Cowboy nicht zweimal sagen und zack brauste er mit seinem dicken Mokka hinterher. Da ich sonst immer auf Ordnung und gesitteten Galopp bedacht bin, vor allem wenn wir in der Gruppe reiten, wusste ich, dass er das jetzt besonders genießen würde. Wenn man in der Gruppe galoppiert muss man eben auf die Schwächsten Rücksicht nehmen und natürlich auch die Rennsemmeln aka Santana und Bobby nicht herausfordern. Außerdem sind in unserem Boden jede Menge kleine und große Löcher, auf die es aufzupassen gilt. Die Pferde sind zwar top ausgebildet, trotzdem muss man sie auch REITEN und nicht nur drauf sitzen. Wenn du auf ein Loch zu galoppierst und dieses nur anstarrst, wird dein Pferd seine eigene Entscheidung treffen: „Rechst – links – drüber?“ Und wenn es dann rechts denkt und du links, kannst du deine Spurenleseskills unter Beweis stellen und von nahem herausfinden wer das Loch gegraben hat.

Lara und Santana auf Kuh Jagd

Nun waren die Männer also weg und die Mädels und ich hatten die Aufgabe knapp 100 Rindviecher in den Kraal zu treiben, in den diese aber gar nicht so wirklich hinein wollten. Es hat uns einige Zeit und manch rasante Manöver zu Pferd gekostet die störrischen Bester durch das Tor zu bugsieren. Als die Männer schließlich mit einer Handvoll Wiederkäuern ankamen, die artig in den Corral marschierten, konnten wir nur den Kopf schütteln.

Unsere Kühe sind zur Zeit noch richtig schön fett

Leider hat die App die Gangarten nicht immer so ganz genau aufgezeichnet.
Heute waren es 12,8 Kilometer, für die wir knapp 3 Stunden gebraucht haben

Chicken run, wenn Hennen – äh Gäste – rennen

Am späten Nachmittag wartete eine ganz besondere Aktion auf uns. Wir mussten Straußenbabys einfangen. Da wir auf der Farm viele Schakale haben, überleben die kleinen Piepmätze meistens nicht besonders lange, weshalb wir sie einfangen und dann mit der Hand aufziehen.
So einen Strauß zu fangen ist gar nicht so einfach, die Küken sind nämlich ganz schön fix. Man fährt mit dem Auto heran – das hat Wulff übernommen – und treibt das Elternpaar davon, dann springen die Jäger vom Bakkie (SUV mit offener Ladefläche) und rennen hinter den Küken her (in dem Fall Anne und Thomas). Wenn man knapp über ihnen ist, schmeißen sie sich zu Boden und stellen sich tot: „Ich bin tot du musst mich nicht mehr essen! Ich schmecke gar nicht mehr, lauf schön weiter!“
Dann packt man die kleinen Dinger in eine Box hinten aufs Auto (die Aufgabe von Reiner und Lara) und weiter geht’s. An dem Tag haben wir 15 kleine Strauße eingefangen und zum Farmhaus gebracht, wo sie aufgezogen werden.

Eine richtig coole Aktion, die ich mit der Kamera begleitet habe

Anne und das Ei

Wenn die klein sind, sind die noch richtig flauschig

Später ging es dann auf Wildpferde Patrouille und wir haben 17 Fohlen gezählt

Ganz der Papa, die weißen Beine hat die Kleine von unserem neuen Zuchthengst Tomahawk

Hinten auf dem Bakkie hat man immer noch den Besten Ausblick

To be continued – im nächsten Artikel geht es weiter...

Um eure Aufmerksamkeitsspanne nicht zu überfordern, geht die Tour mit dem nächsten Artikel weiter. Dort könnt ihr euch auf eine abenteuerliche Klettertour und viele weitere Highlights am Camp freuen. Außerdem gibt es jede Menge Fotos von unserem Ritt durch die beeindruckenden, roten Dünen der Namib Wüste. Bis dann!

Bis dahin wünsche ich euch immer eine volle Kühlbox!
 

Kommentare

  1. Es war wirklich eine unglaublich schöne Zeit bei euch😍❤

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  2. Hi Freda, danke für die schönen Erinnerungen. War wirklich total super bei Euch, auch wenn Du die Tour aus den Augen einer Frau beschreibst :-)

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