Wenn es Krieg gibt gehen wir in die Wüste…

Das ist der Titel eines in Namibia sehr bekannten und sehr coolen Buches, welches ich gerade lese. Der Titel verrät schon worum es geht und genau das denken sich zurzeit anscheinend auch viele Deutsche, denn ich bekomme ständig Anfragen von Leuten die es in „Good old Germany“ nicht mehr aushalten und so weit wie möglich wegwollen. Leider kann ich dabei nicht wirklich weiterhelfen, denn jede Auswanderergeschichte ist einzigartig und von Zeit, Ziel und Durchhaltevermögen abhängig. Mit diesem Artikel will ich das weitergeben was ich erlebt habe, wie ich es geschafft habe und welche Erfahrungen ich machen durfte bzw. musste. Bitte erwartet keine Gebrauchsanweisung a la „Auswandern leicht gemacht“, die kann keiner geben.

Die wichtigsten Voraussetzungen:

1. Entschlossenheit

2. Geduld

3. Durchhaltevermögen


Ist leider so… Der Prozess, um mein auf zwei Jahre limitiertes Arbeitsvisum zu bekommen, hat fast genauso lange gedauert und ich weiß nicht ob ich es in einem Jahr wieder verlängert bekomme. In diesen zwei Jahren wurde ich aus dem Land geschmissen, musste fünf Monate ohne Job in Corona-Deutschland ausharren und mir bei einem Reitunfall in Namibia den Kiefer brechen, um meine Entschlossenheit zu beweisen. Meine Geduld wurde von einem korrupten, chaotisch, bürokratischen Staatssystem strapaziert und durchgehalten habe ich nur aufgrund der unstillbaren Sehnsucht endlich zuhause ankommen zu dürfen. Freunde und Familie haben mich für verrückt erklärt, dass ich mir das antue. Sie haben mich aber auch getröstet und bestärkt, denn ich konnte und wollte einfach nicht aufgeben. Ich habe viel Geld verloren, Zeit verplempert, Tränen vergossen und sicher auch ein paar graue Haare bekommen, aber im Endeffekt war es die Mühe wert. Ich habe durchgehalten, mich in Geduld geübt (obwohl das eine meiner kümmerlichsten Eigenschaften ist) und wurde am Ende belohnt. Ich arbeite und lebe jetzt als Pferdetrainerin und Tourguide auf der Ranch Koiimasis, im Süden Namibias, 650km von der Hauptstadt entfernt, im wunderschönen Tiras Gebirge, am Rand der ältesten Wüste der Welt. Ich wohne dort in einem hübschen kleinen Zimmer, habe einen tollen Hund, sitze den ganzen Tag auf dem Pferd und versuche mir gerade ein Auto zu kaufen…

Das Land und die Tiere geben einem so viel zurück


„Goodbye Deutschland! Die Auswanderer“ um 20:15, auf VOX

So geht’s leider nicht… oder eben genauso, denn in dieser Show fallen auch die meisten Kandidaten auf den Hosenboden und kommen mit eingezogenem Schwanz wieder zurück nach Deutschland. Einfach Mal ebenso, ohne Vorbereitungen, ohne die Landessprache zu sprechen, ohne Job oder Visum kann niemand nach Namibia – oder sonst wohin – auswandern. 

Solche Sendungen leben von Flops

 

Es gibt insgesamt vier legale Möglichkeiten, um hier eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, von denen ich weiß:

1.      Einen Arbeitsvertrag bekommen und den Visumsprozess durchlaufen, wie ich es gemacht habe. Dabei ist es hilfreich die richtigen Leute zu kennen… dann bewegt man sich allerdings auch schnell am Rande der Legalität. Mein Antrag war quasi das Worst Case Szenario, wenn es um die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung in Namibia geht: Weiß, Deutsch, Frau, die einen Männerjob machen will…

2.       Als Rentner auswandern und eine entsprechend hohe Rente kassieren. Denn selbst wenn man mit einer kleinen Rente in Afrika gut zurechtkommt, heißt das nicht, dass dem Staat das auch gefällt. Auch dieser Weg kann folglich sehr, sehr lange dauern. Ich habe Leute kennen gelernt die es so geschafft haben und welche die gescheitert sind, es gibt also keine Garantien. Genug Geld im Hintergrund und eine weiße Weste sind jedoch Voraussetzung.

3.       Investieren, bauen, Land kaufen, dem Staat irgendwie einen Vorteil verschaffen. Hierzu kann ich aber nicht so viel sagen außer, dass man schon eine Menge Geld investieren müsste.

4.       Heiraten – Bei Bauer sucht Frau International mitmachen. Viele namibische Männer suchen tatsächlich verzweifelt nach einer Partnerin, weshalb diese RTL Sendung hier wirklich sehr beliebt ist. Ich habe letztes Jahr drei Paare kennengelernt, die sich über diese Show gefunden haben. Wie eine Bekannte mir erzählt hat, wollen die meisten namibischen Mädels nämlich lieber in der Stadt leben oder besser noch nach Europa auswandern, weshalb für die daheimgebliebenen Jungs nicht mehr viel übrigbleibt. In einem Land mit so niedriger Bevölkerungszahl ist die Auswahl halt nicht groß, jeder kennt jeden und will man wirklich mit der Ex des besten Kumpels zusammen sein, oder die Tussi heiraten, die einem im Kindergarten immer in die Suppe gespuckt hat?

 

Aktuell könnt ihr euch noch bewerben – na, wer macht mit?

 

 Zu jung, zu arm und kein Mann in Sicht, da bleibt nur der Arbeitsvertrag

Wer eine Anstellung bei einem namibischen Unternehmen gefunden hat, durchläuft in der Regel einen langen Prozess. Es müssen extrem viele Informationen beschafft, übersetzt und eingehändigt werden. Hier ein Bild der Liste von Dingen die wir erfüllen und einreichen mussten:

Das Beste ist, wenn man alles eingereicht hat und die Deppen eines der Dokumente verlieren
*Abgeleht weil unvollständig*
 

Da ich ja auf einer Farm und nicht bei einem großen Unternehmen angestellt bin, war der Prozess noch einmal extra schwierig. Wir haben die Unterlagen von einer Agentin zusammentragen und in Windhoek (650km von der Farm entfernt) einreichen lassen. Naja, es war nicht nur eine. Insgesamt haben wir Geld an sechs verschiedene Kontakte bezahlt, die uns alle versichert haben, die allerbesten Connections zu „Homeaffairs“ zu haben und am Ende doch nix zustande bringen konnten. Man darf wirklich niemandem trauen und muss immer einen Plan B-C-D-E und F in der Tasche haben. Die letzte Agentin hat es dann irgendwann endlich geschafft ihre Beziehungen spielen zu lassen und meinen Antrag ganz nach oben auf den Stapel zu befördern. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon komplett verzweifelt und hatte bereits vorbereitende Maßnahmen getroffen meinen Hund nach Deutschland mitzunehmen. Ich habe aber auch schon aus erster Hand von Bekannten gehört, die mit ihrem Agenten direkt Glück hatten und innerhalb weniger Wochen das begehrte Visum in der Hand hielten. Ohne diese „Connections“ geht anscheinend wirklich nichts, die Frage ist nur: wem kann man wirklich trauen, wie viel ist es einem Wert und wie viel Risiko ist man bereit einzugehen?

Niemals ohne Cooper!

 

Ich kann niemandem empfehlen, ohne Arbeitsvisum einzureisen – so wie ich es gemacht habe. Ein Besucher-Visum geht drei Monate und man kann es auch meist ein- bis zweimal verlängern, aber das reicht häufig nicht aus. Wer sich in seiner Tourie Zeit beim Arbeiten erwischen lässt bekommt große Probleme, bei Unfällen auch mit der Versicherung…

Neben den drei Grundvoraussetzungen, die ich oben angesprochen habe, gibt es noch eine weitere ganz wichtige Sache, die ich hier noch einmal genauer erläutern will.

Als Westerntrainerin nach Namibia

 

Etwas bieten was in diesem Land gebraucht wird

Ich zum Beispiel bin als Western Pferdetrainerin angestellt, davon gibt es in diesem Land nicht allzu viele. Das ich auch Touren guide und mich um das Marketing kümmere haben wir verschwiegen, denn Tourguides gibt es hier wie Sand in der Wüste und zwar mit Tip Top Ausbildung und Sachverstand. Marketing Studierte und Instagram-Flüsterer hat dieses Land auch genug zu bieten, dafür muss keine Deutsche einem Einheimischen den Arbeitsplatz wegnehmen.
Der Job als Pferdetrainerin im Western Bereich war natürlich auch keine goldene Eintrittskarte. Für die Damen und Herren Entscheider beim Ministerium of Homeaffairs ist Pferd gleich Pferd. Erst das Argument, dass ich hier auch Einheimische unterrichte und fortbilde brachte den Stein ein klein wenig ins Rollen. 

Teamwork: Immanuel und ich helfen uns gegenseitig mit unseren Pferden

 

Wenn du also Handwerkskünstler, Schreibtischrocker oder Multitalent bist, musst du ein Alleinstellungsmerkmal finden, welches diesem Land nützt. Denn so schlimm das auch ist, ist die Arbeitskraft in diesem Land extrem billig. Die Schwarzen – sorry aber ist nun mal so – machen einen guten Job zu einem Lohn, für den ein Europäer morgens nicht das Bett verlassen würde. Meistens sind sie für typische Farmjobs sogar weit besser geeignet als ein verwöhnter Europäer. Wer will schon bei 45 Grad Zäune flicken, Hühnerscheiße schippen, Mauern hochziehen oder Teller waschen? Deshalb muss ich auch immer wieder „leider nein“ sagen, wenn jemand fragt ob er oder sie nicht für Kost und Logis bei uns auf der Farm aushelfen kann – die Einheimischen sind dabei immer noch billiger, schneller, zäher und pfiffiger. Deshalb kosten diese ganzen Freiwilligenprojekte ja auch Geld. Wer so ein Programm unterstützen möchte kauft sich ein Stück Lebenserfahrung, eine Geschichte die er oder sie zuhause erzählen kann. Versteht mich nicht falsch, ich will das gar nicht verurteilen, ich habe hier ja selber so angefangen und biete genau das auch auf Koiimasis an. 

Dudes und Gäste zusammen auf Tour

 

Werde zum Ranch-Dude auf Koiimasis

Ein kleiner Exkurs in das was wir hier unter einem Freiwilligenprojekt verstehen: Unsere freiwilligen Helferlein, oder „Ranch-Dudes“ wie wir sie neuerdings nennen, werden aktiv in den Ranch-Alltag, in Pferdetraining und Ausbildung mit eingebunden. Auf Koiimasis arbeiten Pferdetrainer, Ranch-Dudes und Guides stets Hand in Hand. Jeder lernt von jedem und am meisten noch von den Pferden. Unsere Ranch-Dudes sind mehr als nur Reit-Gäste, sie sind aktiv ins Pferdetraining mit eingebunden, begleiten unsere Guest-Rides und lernen alles über die tägliche Ranch Arbeit, in dem sie fleißig mit anpacken.

Ranch-Dude Steffi wartet auf Arbeit

 

Der Begriff Dude-Ranch stammt aus den USA und bedeutet nichts anderes als Gäste-Farm. Wir haben früher den geläufigen Begriff „Volontär“ benutzt, dies führte aber immer wieder zu Missverständnissen die wir hoffen mit dem neuen Namen ausräumen zu können. Die Zeit als Ranch-Dude ist sozusagen eine Mischung aus Reiterferien und Freiwilligendienst. Deshalb ist der Aufenthalt auch wesentlich günstiger als reiner Urlaub. Der Beitrag geht zu 100% ins Projekt – physisch und monetär. Ranch-Dudes sind ein wichtiger Teil unserer Arbeit für und mit den Pferden.

Unsere Dudes bekommen die Chance ganz tief in den Alltag einer namibischen Ranch einzutauchen und werden Dinge erleben, die einem normalen Touristen verborgen bleiben. Als Ranch-Dude sitzt man 90% der Zeit im Sattel und wenn man einmal eine Pause braucht ist das auch ok – alles kann, nichts muss.

Mehr Infos gibt’s auf unserer Website... 

Ranch-Dudes beim Sonnenuntergang zu Pferde

 

Zurück zum Thema Auswandern bzw. zum Leben in meiner Wahlheimat Namibia

Stellt euch das bitte nicht zu einfach vor. Ich kann jetzt natürlich nicht allzu viel zu dem Leben in einer namibischen Stadt erzählen. Der Alltag in Windhoek dürfte mit dem in einer deutschen Großstadt vergleichbar sein, außer, dass das Pro Kopf einkommen geringer ist, die Lebensmittelpreise aber durchaus vergleichbar sind. Ich kann euch von einem Leben auf dem Land erzählen, von harter, körperlicher Arbeit und einer Natur, die es nicht immer gut mit einem meint. Von herben Verlusten, körperlicher Erschöpfung, von stundenlangen Stromausfällen, langsamem Internet, von kaltem Wasser im Winter und glühend heißen Nächten im Sommer. 

Hier sind wir eindeutig zu dünn angezogen, im Juni habe ich mir den Hintern in der Wüste abgefroren!

 

Dabei arbeite ich natürlich auch im Tourismus und versuche unseren Gästen, die meistens aus dem mittleren Europa kommen, das Leben auf einer Farm im südlichen Afrika nahezubringen. Unsere Dudes kommen schon sehr nah ran ans Geschehen, erleben aber meist auch nur die Spitze des Eisbergs. Apropos Eis, im Winter kann es hier ganz schön unangenehm werden. Ich werde immer wieder gefragt: „wie kalt ist BEI EUCH denn kalt?“. Ok, ich bin vielleicht ne Mimi aber es wird hier wirklich kalt – also echt! Temperaturen um den Gefrierpunkt sind keine Seltenheit, gepaart mit einem Wind der sich durch den kleinsten Schlitz windet und dich deine Zehen nicht mehr fühlen lässt. In Teilen des Landes kann es bis zu Minus 15 Grad und kälter werden. Außerhalb der Städte, auf Farmen gibt es dann natürlich keine Zentralheizung oder ähnliches. Ich schlafe unter drei Decken mit zwei Paar Wollsocken, Mütze und einer Wärmflasche. Im Sommer genau andersherum, da habe ich nachts die Wahl das Fenster auf zu machen und damit Mücken, Schlangen und Skorpionen eine förmliche Einladung zu schicken, oder halt bei 37 Grad zu schmelzen…

Wenns richtig heiß ist flüchten die Meisten am Liebsten nach Swakopmund ans Meer, so wie ich letzten Januar
 

Bitte versteht mich nicht falsch, es ist immer noch unglaublich schön hier zu leben. Ich habe mich einfach in dieses Land verliebt und kann mir nicht mehr vorstellen jemals wieder in Deutschland zu arbeiten – gefangen in einem Büro, gefesselt vor einem Monitor, bei grauem Himmel und schlecht gelaunten Menschen… ne Danke. Ich will euch nur klar machen, dass es etwas anderes ist in einem Urlaubsland zu leben als dort Urlaub zu machen. Vor allem, wenn man noch Diejenige ist, die den Leuten das Urlaubserlebnis beschert. Leider ist nicht jeder Gast ein guter Gast und auch nicht jeder Dude will wirklich das WAHRE Farmlife miterleben. Da muss man sich schon mal auf unzufriedene, quengelnde, launische Menschen einstellen. Auf der anderen Seite bekommt man aber natürlich auch eifrige, wissbegierige, weltoffene Abenteurer die zäher sind als sie aussehen. Zum Glück überwiegen die Letztgenannten und den Anderen versucht man dann einfach so gut es geht eine schöne Zeit zu bescheren und die Kritik nicht allzu persönlich zu nehmen. Namibia ist nun mal ein Dritte Welt Land, auch wenn man den Eindruck auf einer Lodge Safari natürlich nicht bekommt – mit Absicht, denn wer will schon Armut und Probleme in seinem Urlaub sehen? – Da zahlt man für Pool, Wifi und Sonnenuntergänge!

Ich habe auch schon Lodgeurlaub hier im Land gemacht – ist mega!

 

Wie geht’s weiter?

Will ich immer in Namibia bleiben? Immer auf Koiimasis? Nie mehr nach Deutschland zurück? Ich weiß es nicht – wirklich nicht. Das Einzige was ich weiß ist, dass sich alles jederzeit verändern kann. Vielleicht bricht übermorgen eine neue Seuche aus, oder die Farm brennt ab, vielleicht bekomme ich mein Visum nicht verlängert oder ich komme irgendwie an eine permanent Residence… Alles ist möglich und wenn alles möglich ist, ist auch nichts unmöglich. Das einzige was unumstritten ist, ist das die drei Grundvoraussetzungen vom Anfang auch für das weitere Leben als Auswanderer in Namibia gelten: Entschlossenheit, Geduld und Durchhaltevermögen.

Nirgends erlebt man so eine Freiheit wie in Namibia

 

 Zum Schluss sei noch gesagt

Wie oben bereits erwähnt berichte ich hier nur aus meinem eigenen begrenzten Erfahrungsschatz. Wer andere Erfahrungen gemacht hat kann diese gerne in einem Kommentar kundtuen, ich würde mich sehr über eine rege Diskussion und weitere Tipps freuen.

Mehr Infos zu meinem Auswanderungsprozess zu Vorbereitungen und Rückschlägen findet ihr in meinen vorigen Blog Artikeln:

Freda´s Auszeit Extended Version

Freda´s Auszeit - Jetzt erst recht!

Falls einer fragt - mir geht´s gut!

Ich hoffe ich konnte die eine oder andere Frage beantworten.

Liebe Grüße aus Namibia

Freda

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