DIY a la Afrika – was man macht, wenn eben KEIN Tierarzt zur Stelle ist – Teil 1
Was geschieht, wenn Mensch einmal krank wird oder einen
Unfall hat, habe ich ja bereits ausgiebig beschrieben. Aber was, wenn es
bei den Vierbeinern einmal zwickt? Nun ja, da heißt es meistens einfach improvisieren,
Augen zu und durch, geheult wird später.
Enorme
Selbstheilungskräfte
In der Regel sind die Tiere hier extrem taff und machen das
Meiste einfach mit sich selber aus. Tourie-Pony Roy hatte sich beispielsweise
einmal, beim Ausladen aus der Lorry, schwer am Bein verletzt. Er bekam eine
Zwangspause verordnet und ein halbes Jahr später war außer einer Narbe nichts
mehr zu sehen.
Als ich 2019 auf Koiimasis war, fragte mich Farmchef Wulff vorsichtig: „und wie läuft der Bobby so?“ Er lief super wie immer, vielleicht etwas übermütig, könnte mal wieder etwas Training vertragen, dachte ich. Die Frage kam mir komisch vor und ich hakte nach. „Och, der hatte ne ziemlich schwere Verletzung am Knie, Leopard oder so, hab ihn lange nicht mehr gesehen, aber schön, wenn er jetzt wieder fit ist.“
Die Pferde sind zum Teil übersäht mit verheilten Narben oder weißen Streifen im Fell, die von alten Verletzungen zeugen. Dadurch lassen sie sich aber keinesfalls unterkriegen. Die paar Schönheitsfehler interessieren in der Wüste sowieso niemanden. Das wilde, freie Leben, welches die Pferde auf dem Land der Izkos genießen dürfen, fordert halt manchmal seine Opfer, dennoch ist es die artgerechteste Haltung, die man einem solch wunderschönen, freiheitsliebenden Tier bieten kann.
Koliken – mein
persönlicher Albtraum
Als ich 2017 das erste Mal auf Koiimasis war, hatten wir –
also die Pferde – viele Koliken und enorme Probleme damit. In einem langen Artikel hatte ich ausführlich beschrieben, wie Tommy und ich damals um das
Leben meines Lieblingspferdes Josh gekämpft haben. Diesen Kampf haben wir zum
Glück gewonnen, aber es geht leider nicht immer gut aus.
Manchmal gewinnt man,
manchmal verliert man
Die Ursache der 2017er Koliken hatten wir gefunden. Es war
die Luzerne, die wir aufgrund der Trockenheit zugefüttert hatten. Die Pferde
waren so geil auf das grüne Zeug, dass sie jedes kleinste Fitzelchen aus dem
Sand fischten, wodurch sie diesen leider auch mitfraßen. Wie eine Sandkolik
aussah, wusste ich also zu genüge.
Mittlerweile hatten wir auf Pellets oder wie man hierzulande
sagt „Korrels“ umgestellt. Das funktionierte auch sehr gut, die Dinger wurden
gerne gefressen und funktionierten prima, um die Ponys etwas zu mästen. Außerdem
wurden die Reitpferde regelmäßig entwurmt, was ihnen sichtlich guttat.
Ein kleiner Hengst reagierte eines Tages allerdings nicht
sehr gut auf seine Wurm Injektion. Nach dem er das Wochenende vergnügt mit
seinen Kumpels im Feld verbracht hatte, unterzog ich ihn am Montag einer
kleinen Trainingseinheit, wobei er das darauffolgende Belohnungsfutter nicht
komplett auffraß. Normalerweise kein Grund zur Sorge, manchmal schmeckt es
ihnen einfach nicht. Am nächsten Morgen zeigte er jedoch eindeutige Kolik
Symptome. Ich ließ ihn traben, wie ich es bei den vorangegangenen Koliken der
letzten Jahre gelernt hatte. Am Nachmittag bekam er sichtlich starke Krämpfe.
Ich zog Farmchef Wulff zurate. Dieser brachte Aktivkohle mit, um gegen eine
mögliche Vergiftung anzukämpfen. Seine Symptome sprachen allerdings eindeutig
für eine Verstopfungskolik: Krämpfe, Appetitlosigkeit, keine Darmgeräusche,
niedriger Blutdruck und Wurmspuren in den paar Äppeln, die er sich mühsam rausquetschen
konnte. Außerdem war er viel zu nett. Der braune Hengst hatte in den letzten
Tagen deutlich auf sein Geschlecht hingewiesen und mit kleinen
Dominanzspielchen mir gegenüber angefangen. Jetzt benahm er sich wie ein braves
Lämmchen. Da seine Augen absolut klar waren, entschied ich mich gegen die Gabe
von Kohlepaste, da Kohle eine Verstopfung noch forciert hätte.
Ambros rollt sich |
Am nächsten Nachmittag verschlechterte sich sein Zustand, obwohl
wir, nach einigen anständigen Kackhaufen vom Vormittag, schon aufgeatmet
hatten. Spätestens jetzt hätte ich gerne einen Tierarzt an meiner Seite gehabt,
um eine Nasen-Schlund-Sonde zu legen, also einen Schlauch, der durch ein
Nasenloch den Hals hinunter in den Magen geführt wird. Zu diesem Zweck hatten
wir extra Paraffinöl beim Tierarzthandel in Windhoek gekauft. Leider ist eine
solche Prozedur selbst für einen gelernten Tierarzt nicht die einfachste
Übung. Deshalb behalfen wir uns mit einer Art Pumpspritze, mit der man dem
Pferd immer wieder eine Dosis von 20 ml Flüssigkeit ins Maul spritzen konnte.
Ein Farmer, den Wulff gut kennt, hatte ihm zu dieser Methode geraten, er würde
es selber auch immer so machen. Da sich keiner von uns traute dem Pferd einen
Schlauch in die Nase zu schieben und ihm womöglich Öl in die Lunge zu gießen, hielt
ich dies für eine gute Alternative.
Zwischendurch haben wir immer wieder kleine Pausen eingelegt,
damit sich das Pferd, welches sich erstaunlicherweise fast überhaupt nicht wehrte,
erholen konnte. Wir brauchten eine Ewigkeit für einen Liter Öl und stoppten die
Prozedur danach. Dann bekam er noch eine Schmerzspritze, die schnell Wirkung
zeigte. Mein Cowboy-Kollege Imanuel nahm Ambros, wie er ihn getauft hatte, mit
zu seinem Haus und ließ ihn nachts im angeschlossenen Corral mehrfach traben.
Er spazierte sogar mit ihm, seiner Freundin und seinem kleinen, vierjährigen
Sohn über die Farm. Der Kleine war ganz vernarrt in das Pferd und freute sich
jedes Mal auf den Spaziergang.
Ein langer Kampf
In den folgenden Tagen war es ein auf und ab. Ich konnte an
den Äppeln erkennen, dass das Öl durch war, dennoch wiederholten wir die
Prozedur am Freitag. Das Pferd wurde jedoch immer schlapper. Er lag sehr viel
herum und verweigerte die energieliefernde Melasse, bis wir sie ihm dann irgendwann
gewaltsam mit der Maulspritze einflößten. Sein Pulsschlag war erhöht, aber noch
im akzeptablen Grenzbereich. Am Wochenende sorgten wir weiterhin für
ausreichend Bewegung und er begann wieder normal zu äppeln und ein wenig zu fressen.
Das veränderte sich dann am Wochenanfang. Das Pferd lag fast nur noch flach,
hatte einen extrem erhöhten Pulsschlag und flüssigen Durchfall, da er außer Wasser
und Salz nichts mehr zu sich nahm.
Am Wochenende war Wulff in die Stadt gefahren und ich bat ihn
Elektrolyte und andere Aufbaupräparate mitzubringen, um dem Kleinen wieder
Dampf zu machen. Am Dienstag war ich dann ganz alleine am Stall, weil Imanuel
anderen Verpflichtungen nachging.
Ich beobachtete Ambros die gesamte Zeit über. Das Pferd konnte kaum noch stehen und plumpste mit einem lauten Stöhnen um, wenn er sich einmal kurz aufgerappelt hatte. Er stand nur auf um zu trinken und Salz zu lecken – ich bildete mir ein, dass das zumindest noch ein Zeichen dafür war, dass er noch nicht aufgegeben hatte. Die meiste Zeit lag sein Kopf flach im Sand und er ächzte. Die wilden Pferde liegen eigentlich sehr wenig, da sie immer von allen Seiten auf Raubtiere gefasst sein müssen. Ich konnte es kaum mehr mit ansehen. Wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, ich hätte ihn spätestens zu diesem Zeitpunkt erlöst. Ich dachte schon an eine Überdosis Schmerzmittel... Aber konnte ich das Pferd eines Anderen töten? Es war ja nicht mein Pferd. Könnte ich überhaupt ein Pferd töten? Wenn ich so zurückdenke, wie sich das Pferd gequält hat, ich hätte es wohl gekonnt. Ihn am Leben zu halten war nur noch grausam! Am Abend bekam er wieder eine Schmerzspritze und war nicht mehr dazu zubekommen mit Imanuel den einen Kilometer zu seinem Corral zu laufen. Also ließen wir ihn bei seinen Kumpels draußen…
Ich beobachtete Ambros die gesamte Zeit über. Das Pferd konnte kaum noch stehen und plumpste mit einem lauten Stöhnen um, wenn er sich einmal kurz aufgerappelt hatte. Er stand nur auf um zu trinken und Salz zu lecken – ich bildete mir ein, dass das zumindest noch ein Zeichen dafür war, dass er noch nicht aufgegeben hatte. Die meiste Zeit lag sein Kopf flach im Sand und er ächzte. Die wilden Pferde liegen eigentlich sehr wenig, da sie immer von allen Seiten auf Raubtiere gefasst sein müssen. Ich konnte es kaum mehr mit ansehen. Wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, ich hätte ihn spätestens zu diesem Zeitpunkt erlöst. Ich dachte schon an eine Überdosis Schmerzmittel... Aber konnte ich das Pferd eines Anderen töten? Es war ja nicht mein Pferd. Könnte ich überhaupt ein Pferd töten? Wenn ich so zurückdenke, wie sich das Pferd gequält hat, ich hätte es wohl gekonnt. Ihn am Leben zu halten war nur noch grausam! Am Abend bekam er wieder eine Schmerzspritze und war nicht mehr dazu zubekommen mit Imanuel den einen Kilometer zu seinem Corral zu laufen. Also ließen wir ihn bei seinen Kumpels draußen…
Morgens stand er nicht mit den anderen hungrigen Pferden vor
der Tür. Ich hatte an dem Tag eine Tour mit einem netten Ehepaar aus der Nähe
von Köln. Kurz bevor wir losreiten wollten, winkte Imanuel mich zu sich. Er hatte
Ambros gefunden. Er lag nicht weit von meinem Haus entfernt, hinter einem Busch
– Tot!
Immer schön lächeln |
Wenigstens war er bei
seinen Freunden
Ich versuchte mir auf der Tour nichts anmerken zu lassen und
mimte die gut gelaunte Reiseleiterin. Am Abend kam dann die Medizin aus
Windhoek, zusammen mit Wulff und Anke, auf Koiimasis an. Zum Glück machte mir
niemand Vorwürfe. „Sowas passiert hier eben manchmal,“ sagte Wulff „wenn das
jetzt eines der Reitpferde gewesen wäre, dann hätten wir es in die Lorry
gepackt und wären nach Windhoek gefahren, ganz bestimmt, aber so ist das noch
nicht so ein großer Verlust.“ Das sagt sich so leicht, er hat den Todeskampf ja
nicht mit ansehen müssen, so wie ich.
Ambros kurz bevor alles anfing. Ich habe leider kaum Fotos
von ihm gemacht, weil ich dachte ich hätte noch ewig Zeit dafür…
|
Rätsel raten und
Selbstzweifel
Wulff und Imanuel schnitten das Tier im Anschluss auf und
schauten, was die Kolik verursacht haben könnte. Das Ergebnis war leider nicht
eindeutig. Auch weil das Tier schon so lange tot und bei Temperaturen über 40
Grad die Verwesung schon sehr weit fortgeschritten war. Es zeigten sich deutliche
Wurmspuren im Magen und auch im Darm wurde Sand gefunden, allerdings nicht so
viel, dass es als eindeutige Ursache auszumachen war.
Wir fragten uns natürlich, ob es nicht vielleicht doch eine
Vergiftung gewesen war, die mit der Kohle hätte eingedämmt werden können. Da
aber ganz eindeutig alle Zeichen auf Verstopfung standen, hätte ich mich immer
wieder so entschieden. Um es genauer zu sagen, das tat ich eine Woche später
auch, als ein weiterer junger Wallach dieselben Symptome zeigte. Dessen Kolik
war nach 2 Tagen ausgestanden und er hüpft jetzt fröhlich durch die Savanne.
Immer auf die Kleinen
Koliken sind das eine, aber: „there are many ways to kill a
cat!“ Unsere guten Pferde denken sich immer wieder neue Dinge aus, mit denen
sie meine Nervenstärke testen können. Ein kleiner Hengst, dem wir den
Arbeitstitel „das Pony“ gaben, weil er nur knappe 1,40 Meter maß, kam mit einer
tiefen Wunde im Cowboycamp an.
Neue Hengste sind angekommen! Wer genau hinschaut erkennt bei dem vorderen Pferd eine Verletzung an der Schulter |
Wir wussten nicht, woher er die hatte. Die Jungs
tippten auf Pferdebiss, aber dafür war die Wunde eindeutig zu rund und viel zu
tief. An seiner linken Schulter prangte ein ca. 5x5 cm großes Loch, was sicher
15 cm tief rein ging. Als hätte ihm jemand ein großes Stück Fleisch ausgestanzt
– sorry für die bildhafte Beschreibung. Wir schnappten uns das Pony und spülten die Wunde mit dem Wasserschlauch aus, wodurch
jede Menge stinkender Eiter zum Vorschein kam. Imanuel, der da nichts kennt,
packte mit seinen Fingern hinein und stellte fest, dass in dem Hohlraum bereits
jede Menge Dreck in Form von Sand, Heu und Steinen zu finden war. Wir wussten,
die Tasche musste geöffnet werden. In Ermangelung jeglicher Betäubungsmittel (die
standen auf der Einkaufsliste für die nächste Fahrt nach Windhoek) schnitten wir
mit einem Skalpell ein Loch in das untere Ende der Tasche, wodurch der Eiter
und Dreck ausgespült werden konnte. Der kleine Hengst machte große Augen, blieb
aber erstaunlich brav und ergab sich seinem Schicksal. Zunähen ging leider
nicht mehr, da kein Hautlappen vorhanden war und man das umliegende Gewebe
nicht hätte zusammenziehen können. Somit spülten wir die Wunde täglich und
spritzten Debrizyme hinein, ein Mittel, welches bei inneren Verletzungen
wirklich Wunder wirkt. Ein paar Tage später zeigte ich das Foto einer
Tierärztin in Windhoek und sie bestätigte, dass wir alles richtig gemacht hatten:
„einfach spülen, spülen, spülen, was anderes kann man da nicht machen.“
Das Bild hat sogar der Tierärztin einen Schrecken eingejagt |
Das Sprühzeug bewirkte tatsächlich die versprochenen Wunder
und die Wunde begann sich schnell von innen heraus zu schließen – Puh!
Wer hat sich hier schon
wieder zu früh gefreut?
Apropos Puh!? Wer sich zu früh freut, den bestraft das Leben
– oder wie geht der Spruch nochmal? Unsere verrückten, jungen Hengste kämpften nun mal gerne und einer stellte sich als ein besonders streitsüchtiges Exemplar heraus.
Mit diesem hatte sich das Pony (den ich mittlerweile in „Snickers“ umgetauft hatte,
weil sein Vater „Balisto“ auch wie ein Schokoriegel hieß) einmal zu viel
angelegt. Als ich Snickers reintrieb und er vor mir her trabte sah ich das
Übel. Sein Kampfpartner hatte wohl in den Wundrand, oberhalb des Loches
gebissen und einen Hautlappen von annähernd der Größe einer DIN A4 Seite nach oben hin weggerissen.
Beim Traben schlappte der Lappen wie ein müdes Hunde Ohr auf und nieder – flap,
flap, flap.
Angeblich sind Pferde ja Vegetarier, aber das sieht mir nicht danach aus… |
Da es längst zu spät war, um den Lappen wieder anzunähen, beschlossen
wir ihn abzuschneiden, damit sich nichts infizierte. Zum Glück hatten wir
einige Fläschchen Betäubungsmittel aus Windhoek mitgebracht, als ich wegen
meines verknacksten Rückens dort war. Snickers benahm sich wie immer
einwandfrei und ließ uns den Lappen ohne große Gegenwehr entfernen. Das
abgeschnittene Fellstück wurde stolz präsentiert. Die Jungs schlugen vor daraus
Biltong (= Trockenfleisch) zu machen und ich dachte über eine hübsche
Handtasche nach oder ein nettes Toupet?
Sauber abgetrennt - nun hieß es zweimal am Tag spülen und mit Wundöl einsprühen |
Noch jemand Hunger? Nein? Komisch… |
Nach drei Woche sah es schon viel besser aus |
Langsam werde ich
abergläubisch!
Ich hatte diesen Artikel bereits fertig – schon hochgeladen
und gelayoutet, ich hätte nur noch auf den „Veröffentlichen-Button“ drücken
müssen… Und dann passierten an einem Tag gleich zwei Ereignisse, die auch noch
schnell in diesen Artikel gequetscht werden mussten.
Karfreitag 2020
Feiertag, auch in Namibia, aber wir wollten ja nur schnell
die Pferde in die Lorry laden. Wulff machte solche „Außer der
Reihe“-Erledigungen immer gerne an Tagen, an denen ihm kein Alltagsgeschäft
dazwischenfunken konnte. Da es auf Koiimasis immer noch nicht geregnet hatte,
hatte ich Wulff endlich so weit, dass meine Reitpferde auf die Zweitfarm Korais,
auf der es in diesem Jahr gut geregnet hatte, umziehen durften. Mittlerweile
war es auf Koiimasis so trocken, dass die Pferde so hoch in die Berge gingen,
dass es gefährlich wurde. Wulffs Sohn Tommy hatte so eine Woche zuvor zwei
Reitpferde verloren. Eines war zwischen den Felsen stecken geblieben und ist
dort elendig krepiert, ein anderes hatte sich das Bein gebrochen und musste
erlöst werden. Diese Ereignisse waren dann der endgültige Weckruf, der Wulff
dazu bewegte unsere wertvollen Reitpferde, die ja dank Corona zurzeit sowieso
keine Tour gehen konnten, zu verladen und nach Korais zu fahren.
Da denkt man das Verladen wäre das Gefährlichste…
„Caz Olenas Mazel Tov“ ist einer unserer Zuchthengste. Wenn
er fett ist, ist er ein wirklich wunderschönes Tier. Als junges Pferd brach er
sich ein Bein und war als Reitpferd nicht zu gebrauchen. Als Zuchthengst hat
er aber schon viele wunderschöne Fohlen produziert. Jetzt sollte er eine Pause
von seinen Pflichten als Herdenchef einlegen, um auf Korais wieder zu Kräften
zu kommen.
Mazel Tov 2018 nachdem es auf Koiimasis geregnet hatte |
Als er Freitagmorgen mit den anderen Pferden ins Cowboycamp
marschierte, war sein gesamter Maulbereich extrem dick und geschwollen.
„Schlangenbiss“, tippte Imanuel. „Oh mein Gott, wird er sterben?“, fragte ich
entsetzt. Imanuel antwortete, dass er dann wohl bereits tot wäre und zuckte mit
den Schultern. Mehr war nicht aus ihm rauszubekommen. Manchmal machte mich
dieses Schulterzucken echt irre!
Da sich das Pferd aber ganz normal aufführte, fraß und trank machte ich mir
keine weiteren Sorgen. Als er paar
Stunden später immer noch lebte, tippte ich eher auf einen schmerzhaften, aber
nicht tödlichen Skorpionstich…. Wir werden es wohl nie erfahren.
Das dickste an diesem Pferd ist gerade wirklich die Nase |
Zwischenfall Nummer
zwei
So weit so gut, das Verladen klappte unfallfrei und 12
Pferde waren auf dem Weg ins Land, wo Milch und Honig fließt. Imanuel und ich
blieben am Cowboycamp zurück und verfrachteten die übrigen sechs Pferde, welche
am nächsten Tag geladen werden sollten, in den großen Paddock im hinteren
Bereich des Camps. Ich verteilte einen großen Eimer Korrels, in dem langen Trog
mitten im Gehege, auf den sich die Pferde direkt stürzten.
Nach wenigen Minuten fing Titan (das Pferd das auch schon seinen ganz eigenen Blogartikel hat) an sich zu rollen und zu flehmen (= die
Oberlippe hochziehen). Ich scheuchte ihn hoch und verfluchte ihn, weil ich
endlich Feierabend machen wollte. Da das aber nichts half und ich wusste, dass
ich sowieso nicht schlafen könnte, mit dem Wissen, dass eines der Pferde krank
ist, rief ich Imanuel zu, er sollte mir bitte noch eben helfen Titan
einzufangen, damit ich ihn traben lassen konnte. „Das ist keine Kolik, ihm
steckt etwas im Hals“, rief mir Imanuel auf Englisch zu. SCHLUNDVERSTOPFUNG! Mein
innerer Alarm ging los. Mit Schlund Verstopfungen ist nicht zu spaßen! Hier
habe ich schon Horrorstorys mitbekommen, bei denen sogar erfahrene Tierärzte
die Segel streichen mussten. „Nein, das ist sicher ne Kolik, dabei Flehmen die
auch schon mal, sonst würde er ja husten“, rief ich ihm zu und hoffte wirklich,
dass er sich vertan hatte.
Imanuel stellte Titan in den Roundpen und uns war schnell
klar: es war tatsächlich eine Schlund Verstopfung. Das Pferd war binnen weniger
Minuten klitschenass geschwitzt und sein Hals verkrampfte sich bei dem Versuch
zu schlucken. Er lehnte sich seltsam nach hinten und streckte seinen Kopf lang
nach vorne aus, um ihn dann in einer Art Krampf wieder einzuziehen. Wie bei
einem Hund der kotzt, nur dass Pferde halt nicht kotzen können. Es sah
entsetzlich aus, als würde er jeden Moment tot umfallen. Er flehmte weiterhin
und atmete sehr, sehr schwer und flach.
Wir stellten uns an den Zaun des Roundpen und überlegten was wir tun konnten. Ich wusste, dass man dies in Deutschland mit einem Schlauch in die Speiseröhre und Wasser Einlauf probieren würde. So hatte es meine Tierärztin zumindest mal bei einem Shetty gemacht, bei dessen Schlundverstopfung ich assistierte. Damals dauerte es fast den ganzen Tag, bis die Verstopfung gelöst und das Pony wieder ok war.
Wir stellten uns an den Zaun des Roundpen und überlegten was wir tun konnten. Ich wusste, dass man dies in Deutschland mit einem Schlauch in die Speiseröhre und Wasser Einlauf probieren würde. So hatte es meine Tierärztin zumindest mal bei einem Shetty gemacht, bei dessen Schlundverstopfung ich assistierte. Damals dauerte es fast den ganzen Tag, bis die Verstopfung gelöst und das Pony wieder ok war.
Plötzlich lief Titan ein großer Kleks Sabber aus Mund und
Nase. „Weiter so Junge“, rief ich ihm zu. Er starrte aber nur panisch geradeaus
und atmete kaum noch. Ich fragte mich warum der Idiot nicht einfach hustete,
das wäre doch das normale Verhalten bei einem solchen Verschluss – wenn man was
im Hals stecken hat, hustet man! Aber das Pferd blieb komplett lautlos. „Wollen
wir mal versuchen seinen Hals zu massieren?“, fragte ich Imanuel. „Wo denn, es
kann doch überall sein, auch tief unten“, erwiderte er schulterzuckend. „Naja,
besser als nicht zu tun“, rief ich verärgert und rannte zu dem Pferd hin. Durch
die Massage merkte ich schnell, dass das Problem direkt an der Kehle oder kurz
dahinter sitzen musste. Dort vernahm ich komische, glucksende Geräusche. Ich
massierte fester aber nichts passierte. Jetzt wurde sogar Imanuel „Mr.
Schulterzucken“ nervös: „Oh, fuck!“
Titans Augen waren panisch geweitet und seine Beine zitterten – Scheiße der verreckt uns gleich, dachte ich. Dann fiel mir die Dosierpumpe wieder ein, die wir zwei Monate zuvor für Ambros Kolik eingesetzt hatten. Ich rannte los und befüllte sie mit Wasser. Imanuel steckte dem Pferd das Gerät tief ins Maul und spritzte Wasser hinein. Noch einmal und noch einmal! Nach 3 oder 4 kräftigen Spritzern schluckte das Pferd plötzlich und entspannte sich augenblicklich. Wir gaben ihm noch ein paar Dosen hinterher, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Titan schluckte das Wasser, atmete tief durch und linste bereits zu seinen Artgenossen rüber, die noch am Futtertrog standen. Vorsichtshalber warteten wir, bis diese aufgefressen hatten, bevor wir den großen Schimmel wieder zu ihnen ließen.
Titans Augen waren panisch geweitet und seine Beine zitterten – Scheiße der verreckt uns gleich, dachte ich. Dann fiel mir die Dosierpumpe wieder ein, die wir zwei Monate zuvor für Ambros Kolik eingesetzt hatten. Ich rannte los und befüllte sie mit Wasser. Imanuel steckte dem Pferd das Gerät tief ins Maul und spritzte Wasser hinein. Noch einmal und noch einmal! Nach 3 oder 4 kräftigen Spritzern schluckte das Pferd plötzlich und entspannte sich augenblicklich. Wir gaben ihm noch ein paar Dosen hinterher, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Titan schluckte das Wasser, atmete tief durch und linste bereits zu seinen Artgenossen rüber, die noch am Futtertrog standen. Vorsichtshalber warteten wir, bis diese aufgefressen hatten, bevor wir den großen Schimmel wieder zu ihnen ließen.
Die ganze Aktion dauerte nur wenige Minuten, hat meinen Adrenalinpegel
aber ins unermessliche hochkatapultiert. Immer noch atemlos hinterließ ich
Wulff eine Sprachnachricht, in der ich ihm von unserer Heldentat berichtete.
Das war verdammt knapp! Hätte ich nicht noch darauf bestanden den Wassertrog aufzufüllen und die Eimer wegzuräumen, hätte das keiner mitbekommen und der Gaul wäre mit Sicherheit binnen weniger Minuten verreckt!
Am nächsten morgen stand er entspannt zwischen seinen Pferdekollegen, als wäre nichts gewesen…
Das war verdammt knapp! Hätte ich nicht noch darauf bestanden den Wassertrog aufzufüllen und die Eimer wegzuräumen, hätte das keiner mitbekommen und der Gaul wäre mit Sicherheit binnen weniger Minuten verreckt!
Am nächsten morgen stand er entspannt zwischen seinen Pferdekollegen, als wäre nichts gewesen…
So, das war der erste Teil „DIY a la Afrika“, in Teil 2 geht es dann etwas geplanter, aber auch wesentlich wilder und blutiger vonstatten, denn dann berichte ich euch von den Kastrationen, die wir hier natürlich auch nicht von einem Tierarzt durchführen lassen…
Kommentare
Kommentar veröffentlichen