Road Trip nach Lüderitz


Das komplette Wüstenkontrastprogramm

Zum Ende von Judiths Aufenthalt in Namibia stand noch ein ganz besonderes Erlebnis an. Da wir Volontäre nun zu zweit waren, war es möglich einen Ausflug in die Umgebung zu unternehmen – hier wird Umgebung etwas weiter gefasst, unser Ziel war knapp 300 Kilometer entfernt. Wir würden einen Road Trip nach Lüderitz machen, eine kleine Stadt an der Atlantikküste, direkt hinter der Namib-Wüste.

Highway to chocolate

An einem Montag sollte es los gehen, ins Land wo Milch uns Honig fließt… Judith und ich hatten (leicht) übertriebene Erwartungen an die kleine Stadt am Meer.
Um 9 Uhr brachen Tommy, Judith und ich auf, machten einen kleinen Schlenker zurück weil Tommy die Spielkarten vergessen hatte, und starteten um 09:15 Uhr erneut gen Westen.
Mit dem Toyota Land Cruiser cruisten wir standesgemäß über die sandigen Straßen, unter der prallen Wüstensonne, Richtung Schlaraffenland. Tommy hatte seinen Road Trip Mix an Bord „von den 70gern bis zu den Jetzigern“ war alles dabei.
Wir nahmen die „most impressive Road“ D707 Richtung Küste. Die Straße bot ein einmaliges Panorama mit rotem Sand, blauen Bergen, weißen Dünen und strahlendem Himmel. Dabei passierten wir einige Nachbarfarmen, unteranderem auch ein riesiges Areal auf dem Rinos, Giraffen und andere einheimische Tiere gehalten werden.

Hier waren auch einige Oryx unterwegs – das Nationaltier Namibias
Das Betreten der Flächen außerhalb der Straßen war strengstens verboten – challenge accepted

AUS

Unser erster Zwischenstopp war im kleinen Städtchen „Aus“ hier aßen wir unser erstes Eis seit Wochen. Judith und ich waren begeistert, denn unser eigentliches Ziel war es in der ganzen Zeit möglichst viel Schokolade, Eis und Kuchen zu verdrücken.

Rechts: Super erfrischend – Rock Shandy – eine kleine namibische Spezialität

Die Wildpferde von Aus

Das nächste Ziel war dann „Klein-Aus Vista“ hier machten wir Pause im „Desert Horse Inn“ aßen Pommes und gönnten uns eine Erfrischung. Dies ist der letzte Stopp, bevor das Gebiet der wilden Pferde, der sogenannten „Namib-Pferde“ oder „Namibs“, beginnt. Es gibt zahlreiche Theorien wie die Pferde ins Land gekommen sind, denn im südlichen Afrika hat es ursprünglich keine Pferde gegeben:

1.     Der portugiesische Seefahrer und Entdecker Bartolomeu Diaz landete 1487, auf der Suche nach einem Seeweg nach Indien, in der Lüderitzbucht und nahm diese in Besitz. Angeblich sind hier zwei seiner Schiffe zurück geblieben und einige der überlebenden Pferde sollen sich an Land gerettet haben um in Afrika ein neues Leben anzufangen.
2.     Baron Hansheinrich von Wolf, ein reicher deutscher Schutztruppenoffizier sammelte Pferde aller Rassen und züchtete sie auf seinem Schloss Duwisib. Nachdem von Wolf nach Deutschland zurückbeordert wurde, war seine Frau nicht mehr in der Lage das Schloss alleine zu bewirtschaften und überließ das Gut der Natur. Die Pferde wurden in die Wüste hinaus gejagt, wo sie sich über Generationen den Gegebenheiten anpassten.
3.     Die Unruhen des ersten Weltkrieges führten dazu, dass die Pferde der südafrikanischen und deutschen Truppen zurückgelassen, von Bomben verscheucht oder entlaufen waren, sich vermischten und verwilderten.


Im Internet finden sich noch zahlreiche weitere Hypothesen zur Herkunft der Wildpferde. Ich denke am Ende ist es eine Mischung aus allen Theorien. Fakt ist, dass sich die Pferde im Diamantensperrgebiet, welches Anfang des Neunzenten Jahrhunderts errichtetet wurde, ungehindert vermehren konnten. Dort waren sie vor Jägern und Wilderern geschützt und passten sich über Generationen an die unwirtliche Umgebung an.
Wie man sieht, sieht man nichts… hier wächst kein Büschel Graß

Leider konnten wir nur ein paar Pferde aus der Entfernung sehen – zu weit weg für meine Kamera. Der Anblick wäre wahrscheinlich auch nicht besonders schön gewesen, da die Pferde zurzeit extrem unter der Trockenheit leiden. Auf unserem Weg über die B4 durch den Namib-Naukluft Park, trafen wir zufällig Dr. Telanie Greyling, die südafrikanische Biologin erforscht die Wildpferde seit Jahren und engagiert sich für deren Erhalt.
Judith und ich hörten aufmerksam ihrem Gespräch mit Tommy zu, bei dem sie berichtete wie schlecht es gegenwärtig um die wilden Pferde steht. Aktuell gibt es noch 115 Pferde, darunter nur 41 Stuten. Genau wie auf Koiimasis gibt es massive Probleme mit Raubtieren und die Fohlen haben keine Überlebenschance. Das jüngste Pferd ist 5 Jahre alt... Dank zahlreicher Spenden können die Pferde zwar zugefüttert werden, das ist aber leider keine dauerhafte Lösung. Telanie karrte gerade einige Großballen Heu an, um diese im Wildpferdegebiet zu verteilen. Leider locken diese künstlichen Futterstellen auch die Raubtiere an, selbst wenn versucht wird die Plätze regelmäßig zu wechseln. Ein Teufelskreis… Der derzeitige Plan ist es mit einem Großteil der Herde (alle Stuten und eine Auswahl guter Hengste) in ein besser bewachsenes Gebiet umzuziehen, denn denn sonst wird es spätestens in ein bis zwei Jahren keine Wildpferde mehr in Namibia geben… Leider muss sich dafür noch ein Farmer finden, der die Pflanzenfresser auf seinem Land duldet.

Wir wurden am Straßenrand ausgesetzt

Ich sehe das Meer

Nach etwa fünf Stunden Fahrt, inklusive zahlreicher Zwischenstopps zum Foto machen, erreichten wir Lüderitz und Tommy fuhr uns zuallererst direkt an die Küste. Als wir eine Fischfabrik passierten erzählte Tommy: „hier wurde ich geboren… das war früher mal ein Hospital“ – aaahaaa. Jetzt war uns einiges klar, Tommy ist also ein Fisch, ein Wüstenfisch. Damit zogen wir ihn dann für den Rest der Reise auf – armer Fisch!
Der Blick aufs Meer und die frische Briese waren ein krasser Kontrast, da wir kurz vorher noch durch Sanddünen gefahren sind.

Sand...

Seit 1993 gibt es einen Streit um den Ortsnamen, dieser soll in !Namiǂnûs geändert werden. Die Bewohner stellten als Protest dieses dezente Ortsschild auf
Ich wäre am liebsten direkt rein gesprungen

Der rötliche Streifen hinten auf dem Bild ist die Namib-Wüste

Der Ausblick war atemberaubend und die frische Meeresbriese einfach herrlich. Die letzten zwei Monate habe ich mit jedem Atemzug Sand in die Nase bekommen, da war die frische Meeresluft eine wahre Wohltat!

Tiiiiiief einatmen

Nachdem uns die Arme vom Fotos machen weh taten, machten wir uns auf und checkten in unser Hotel ein. Der „Kratzplatz“ war ein uriges kleines Hotel, in dem es an jeder Ecke lustige, mit viel Liebe dekorierte Kleinigkeiten zu bewundern gab.

Der Kratzplatz

Zum Sonnenuntergang fuhren wir zum Nest Hotel, hier vertilgten wir ganz Tourie-like Kaffe und Kuchen und genossen die letzten Sonnenstrahlen. Vor dem Hotel gab es einen mini Strand wo Judith und ich unsere Füße in den Atlantik tauchten… aaaarsch kalt sag ich euch!

Red Velvet Cake - mit Ausblick inklusive
Die spinnen diese Volontäre

Was soll man dazu noch sagen?
Auf der Jagd nach dem perfekten Foto

Auf dem Rückweg zum Hotel machten wir eine kleine Rundfahrt durch die Stadt und lachten über all die deutschen Straßennamen und Schilder an den Häusern. Die Stadt erhielt ihren Namen von dem Bremer Tabakhändler Adolf Lüderitz, der 1883 das Land um die Bucht erwarb um dort Bodenschätze zu finden. Nachdem 1908 (lange nach dem Tod Lüderitz´s) Diamanten nahe der Stadt gefunden wurden entwickelte sich Lüderitz zu einer sehr wohnhabenden Stadt. Diamanten gibt es hier zwar keine mehr, aber die Stadt wuchs zu einer florierenden Hafenstadt heran. Ein Großteil der Stadt stammt aus der wilhelmischen Kaiserzeit und wurde im Jugendstil erbaut. Die deutschen Schutztruppler haben hier eindeutig ihre Spuren hinterlassen.

Der Robert Hafen
Die Felsenkirche
Haus Goerke

Nachdem das Licht für Fotos endgültig weg war machten wir uns auf Richtung „Kratzplatz“. An das Hotel angeschlossen gab es eine Bar, in der wir nach einer köstlichen Grundlage, den Ladenschluss bis zum äußersten ausreizten. An dem Abend haben wir ordentlich einen „abgelappelt“ (sorry, kleiner Insider und heimliches Motto des abends). Ach ja, so ein, zwei (drei, vier…) leckere Biere (nach deutschem Reinheitsgebot!) schmeckten einfach köstlich.

Der nächste Tag – der nächste Kontrast

Über Nacht hatte sich das Wetter komplett geändert. Am Vortag genossen wir den schönsten Sonnenschein, jetzt war es neblig, windig und eiskalt. Aber um 8:30 Uhr sollte der Katamaran Richtung „Halifax Insel“ starten. Eingepackt in dicke Pullis und Winterjacken machten wir uns auf den Weg. Als ich die Wellen sah, hoffte ich, dass sich mein Kater zurückhalten würde… nach zwei abstinenten Monaten merkte ich den Alkohol vom Vortag noch deutlich – naja, zum Glück ist das Meer ja nicht weit, muss ich halt über die Reling kotzen.
Nach dem Start verteilte die Crew direkt Wolldecken an alle Passagiere – einige mutige Exemplare waren nämlich mit Sandalen oder ohne Jacke unterwegs – brrrrrrr. Der Nebel war eiskalt und der starke Wind ging wie nix durch meine dicke Winterjacke. Es sah lustig aus, wie sich die Wassertropfen an unseren Augenbrauen sammelten.

Dick verpackt und tiefgekühlt, Judith und ich

Der Kapitän fuhr uns und ein paar andere mutige Seefahrer aufs Meer hinaus. Die Halifax Insel ist eine kleine Felseninsel die zur Inselkette der „Penguin Islands“ gehört, sie liegt knapp 240 Meter vor der Küste der Lüderitz-Halbinsel. Hier wurde bis 1949 Guano abgebaut, weswegen die Insel auch unter dem Namen „Guano-Insel“ bekannt wurde. Durch den Abbau wurden die dort nistenden Brillenpinguine nahezu ausgerottet. Seit 1994 steht die Insel aber unter Schutz und die Pinguinkolonie erholte sich wieder.
Auf unserem schaukligen Weg sahen wir Heaviside Delfine, Robben, verschiedenes fliegendes Federvieh und dann auch die Pinguine – ich war ganz euphorisch, trotz klappernder Zähne.

Hier war ganz schön was los
Immer wieder kamen kleine Pinguingrüppchen an uns vorbei
Der nächste Kontrast – Flamingos verbinde ich eher mit Wärme, Südsee, Piña Colada
Eine wahre Geisterstadt – Die ehemalige Guano Station auf der Nordostseite der Insel

Trotz der eingeschränkten Sicht, war der Ausblick beeindruckend. Wir „parkten“ eine Zeitlang vor der Insel und hatten die Möglichkeit Fotos zumachen und die Pinguine zu beobachten. Zwischendurch gab es warmen Kakao, der bei allen Passagieren auf dankbare Begeisterung stieß. Im Anschluss verteilte die Crew Winterjacken in die wir uns warm einkuschelten – Sind meine Finger eingefroren oder eingeschlafen? Ich spüre nix mehr!
Auf der Rückfahrt verzogen sich alle Touris unter Deck, nur wir drei hielten es wacker aus. Judith und ich begannen alle Seemannslieder zu singen, die uns einfielen: „An der Noooordseeeküste – am plattdeutschen Straaaaand…“ Ich glaube wir waren Tommy ein wenig peinlich.


Der Fisch verzog sich dann lieber allein ans Bug – was uns Mädels natürlich dazu animierte die Titelmelodie von Titanic zu schmettern
Im Hafen war es direkt deutlich wärmer

Der Ausflug war wirklich toll, kann ich nur jedem Empfehlen – auch bei schlechtem Wetter! Ach ja und gekotzt hat auch keiner.

An die Lieben daheim denken – und Kuchen!

Nachdem wir uns im Hotel kurz aufgewärmt hatten, fuhren wir durch die Stadt, auf der Suche nach Schokolade und Postkarten. Nirgendwo gab es anständige Karten, als wir endlich einen Laden gefunden hatten der welche verkaufte, mussten wir uns mit der vergilbten Auswahl zufrieden geben – also wehe es beschwert sich jemand über eine hässliche Karte!!!
Für Kaffee, Kuchen und Karten schreiben, kehrten wir in das super niedliche „Garden Café“ ein. Im Garten zu sitzen war uns zwar immer noch zu kalt, aber da das Gebäude ein altes Wohnhaus war tranken wir unseren Latte in einem gemütlichen ehemaligen Wohnzimmer.

Für insgesamt 17 Postkarten brauchte ich eine ganze Weile

Sun Downer auf Bestellung

Der nächste Stop war dann der „Diaz Point“ zu Deutsch „Diaz-Spitze“, die große Halbinsel an der Bartolomeu Diaz damals gelandet war. Der Weg dorthin und die Umgebung glichen einer Mondlandschaft. Grauer Sand, versteinerte Dünen, Felsen und der Ozean. Pünktlich zum Sonnenuntergang klarte der Himmel auf und wir hatten eine fantastische Sicht über den Atlantik.

Leider ist die Brücke schon seit 2014 kaputt

Für den perfekten Ausblick gab Tommy einfach alles – und versenkte (beinahe) das Auto
Langsam verzogen sich die Wolken
Rund herum lagen tausende von Muscheln, ich musste mich zurück halten nicht Eimerweise davon mitzunehmen
Die große Bucht

Zum Sonnenuntergang war keine Wolke mehr am Himmel - wie bestellt!

Den Abend verbrachten wir dann wieder in der Hotelkneipe „Barrels“, aßen Pizza und machten neue Bekanntschaften. Judith hatte am Vorabend bereits ihr neues Lieblingsgetränk entdeckt: „Springbock“, das ist Pfeffi mit Amarula – sehr lecker! Nach ein paar Springböcken fanden wir das T-Shirt des Barmanns so cool, dass wir auch jeder eines kauften – sah ein bisschen nach Junggesellenabschied aus aber wen stört’s?! „Noch eine Runde Springbock bitte!“

„LÜDERITZ – a small drinking town with a fishing problem“ steht auf der Rückseite der Shirts

Tag drei – die Kameras laufen heiß

Am Mittwoch machten wir uns auf nach Kolmannskuppe – einer verlassenen Stadt im Sperrgebiet. Zu Beginn des Diamanten Booms Anfang 1900 war dies die reichste Stadt Namibias. Es gab dort alles, eine Schule, eine Schlachterei (in der sogar Tommys Urgroßvater gearbeitet hat), eine Kegelbahn, ein Krankenhaus, eine Turnhalle… Alles absolut deutsch!
Nachdem die Diamanten dort zur Neige gingen, zogen die Deutschen weiter und ließen die Stadt zurück. Wind und Sand taten ihr übriges und machten aus der Stadt das was sie jetzt ist, eine Geisterstadt.

Von außen sehen einige der Häuser noch komplett intakt aus
Innen müsste man mal kehren

Wir haben dort auch eine kleine Führung mitgemacht, die wirklich sehr interessant war. Es gibt eine Führung für deutsch- und eine für englischsprachige Besucher. Gemäß Tommy ist die deutsche aber wesentlich besser, da die alte Dame viel mehr Infos und Fakten drauf hat als der englische Guide. Danach hat man Zeit alleine durch die Ruinen zu ziehen und jede Menge Fotos zu machen – was wir uns natürlich nicht entgehen ließen.

So ein Sandbad ist schon was feines

Vor Einsturzgefahr wird gewarnt – vor Blödheit nicht
Hier konnte ich meine neue Kamera mal richtig testen
Was Wind und Sand so alles anstellen können

Unser kleiner Road Trip war eine tolle Abwechslung und ein krasses Kontrastprogramm zu unserem Wüsten-Pony-Alltag. An dieser Stelle auch noch einmal vielen Dank an unseren Super Tourguide den Wüstenfisch Tommy! Er hat uns an wirklich tolle Plätze geführt, wusste immer wann es das Beste Licht zum Fotografieren gab und hat es geschafft Judiths und meine „Schnellrederei“ zu überstehen. Es waren aufregende Tage und witzige Abende, die Spielkarten haben wir am Ende auch nicht gebraucht, dafür habe ich aber fast 1.000 Fotos geschossen.

Nun bin ich noch zwei Wochen auf der Ranch und sehe die reale Welt nahen…

Ich habe auf dem Trip so viel über die Geschichte des Landes und den Einfluss der Deutschen hier gelernt, dass ich noch viel viel mehr hätte schreiben können. Ich hoffe ihr könnt meine Begeisterung mit Hilfe der Bilder etwas besser nachvollziehen. Das war auf jeden Fall der Artikel mit den meisten Fotos!

Kommentare

  1. Toller Artikel, du hast unseren super Ausflug richtig schön zusammen gefasst... Ich sah mich vor meinem inneren Auge direkt wieder im Schlaraffenland!:)
    Hab' noch eine tolle restliche Zeit!

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