Kleine, nicht so alltägliche Alltagsgeschichten – Teil 5


In dieser Serie erzähle ich euch ja gerne kleine Anekdoten und kurze Geschichten über das nicht so alltägliche Alltagsleben, in der Wüste Namibias und wie kleine Unachtsamkeiten große Auswirkungen haben können…

„Enjoy your Boing, Boing, Boing“ – oder, wie Sicherheitsgurte Leben retten!

Die Sonne brannte in Namibia ganz fleißig, obwohl es Winter war und gegen 7 nur noch die Sterne leuchteten. Wer den ganzen Tag draußen verbringt, braucht also unbedingt etwas für den Kopf. Da Volontärin Sara und ich extrem verantwortungslos sind – bitte nicht zuhause nachmachen liebe Kinder – tragen wir keine Reithelme, sondern Cappies. Leider sitzen diese kleinen Biester nicht immer so fest wie sie sollten. Diese Erfahrung durften wir während eines schnellen Galopps Richtung unserer Unterkunft, der sogenannten Burg, machen – wir hatten halt Hunger, da musste es schnell gehen... Ein Windstoß später und Saras Cap flog in hohem Bogen vor die Füße meines Ponys. An dem Tag saß ich auf Josh, meinem absoluten Lieblingspferd auf Koiimasis. Den ich besonders gerne habe, weil er so super sensibel und feinfühlig ist…

Da Wulff meine Vernarrtheit kennt, durfte ihn, seit meinem letzten Aufenthalt, auch niemand reiten. Das Pferd war also seit über einem Jahr nicht mehr geritten worden und wir galoppierten munter über die Ranch, als plötzlich eine Pferdefressende Cappie dem kleinen Josh an die Kehle wollte. Das unerwartete Auftauchen der fliegenden Killer-Cap kommentierte das gute Pferd sogleich mit zahlreichen Showreifen Bucklern. Wie ein echter Rodeo Hengst – oder ein Rodeo Hase – hüpfte das gescheckte Wildpferd auf und nieder. Der sachverständige Reiter möchte natürlich immer ein Pferd mit schönem rundem Rücken – aber bitte nicht so Rund, dass man die Ohren nicht mehr sehen kann. Nach 6-7 Hopsern, hatte ich Josh wieder unter Kontrolle und Sara sammelte ihre Mütze ein – Gefahr gebannt!

Zurück an der Burg habe ich dann „Sicherheitsgurte“ an alle Cappies montiert, damit so etwas nicht noch einmal passiert. Die Geschichte hatte sich auf der Farm natürlich in Windeseile verbreitet, weshalb mir Emanuel und Ashley von da an immer ein fröhliches „Boing, Boing, Boing“ wünschten, wenn ich das gescheckte Rodeopony namens Josh ritt – danke Jungs!

Sieht zwar echt kacke aus, aber rettet Leben! Im Hintergrund übrigens das wilde Rodeopferdi


Wie aus dem Ei gepellt…

Die folgende Geschichte ist sogar für Namibia ungewöhnlich, da die Tiere, um die es geht, eigentlich auf einen ganz anderen Kontinent gehören. 

Sind es Tiger? – Nah dran!

Farmer Wulff sammelt und züchtet nun schon seit Jahren unterschiedlichste Federviecher. Hauptsächlich Hühner und Enten, Truthähne, Gänse, Tauben und ein paar bunte Ziervögelchen. Vor etwa zweieinhalb Jahren kam sein neuester Clou: Emus. Die flugunfähigen Laufvögel aus Australien sind perfekt für das Namibische Klima geeignet und definitiv auch für Namibia sehr exotisch. Während meines Aufenthalts wurde der allererste Nachwuchs erwartet. Die Vögel brüten sehr lange, zwei Monate, länger als die Strauße, mit denen die Farmer bereits jahrelange Erfahrung haben. Die Emus wiederum waren tatsächlich etwas ganz Neues.

Ein Emu auf seinem/ihrem Gelege

Wulff und Anke hatten ein Gelege gerettet, welches von den Elterntieren verlassen wurde. Man weiß nicht warum, vermutlich wurden die Vögel von irgendetwas erschreckt, vielleicht einer Katze oder einem herumstreunenden Fuchs? Durch die Vogelzucht gut ausgestattet, kamen die Eierchen in einen Brutkasten. Leider kann man Emu Eier nicht wie Straußeneier mit der Taschenlampe durchleuchten, um zu schauen ob sich darin noch etwas bewegt. Emu Eier sind nämlich dunkelgrün – so würde man sich vielleicht Dracheneier vorstellen! Somit war also hoffen und bangen angesagt, ob das Nest nicht schon zu lange verlassen war. 

Emu Eier – kein Plastik, die sehen wirklich so aus!
 
Nach einer kleinen Testbohrung, die zeigte, dass in einem der Eier definitiv noch Leben war, fing das erste Küken auch schon an, sich durch die Eierschale zu hacken. An diesem Abend waren Sara und ich bei Anke zum Pfannkuchen machen eingeladen und natürlich gespannt auf den Nachwuchs. Wir schauten alle zusammen in den Brutkasten und Anke untersuchte das Ei. Die Membran war zwar bereits durchstoßen, sie fing aber schon an einzutrocknen – kein gutes Zeichen. „Dafür ist normalerweise Wulff zuständig, mit den Straußen und so, das ist eigentlich nicht mein Fachgebiet“, sagte Anke bedauernd. Aber Wulff war leider zu der Zeit in Windhoek um einen Gast abzuholen. Also Ergriff Anke die Initiative und half dem kleinen Piepmatz, die dicke Schale zu durchbrechen. Sie schälte es halb aus dem Ei, ließ es aber noch in seiner Unterschale sitzen. Das Kleine lebte noch – Juhu – machte aber einen sehr schwachen Eindruck. Ich meinte mich aus einer Tierdoku erinnern zu können, dass Küken zwischendurch oft lange Erholungspausen brauchen um Kraft zu schöpfen…

Das kleine Küken kämpft um sein Leben


Wir wünschten dem kleinen ganz viel Glück und hofften, dass es sich noch berappeln würde…
Leider hat es die Nacht nicht überlebt. Aber schon am nächsten Tag schlüpften zwei weitere kerngesunde Emus und zwei Tage später ein weiteres.

Eine Woche später waren es schon sechs quietschfidele, kleine, flauschige Piepmätze
Getigert sind sie, also doch nah dran!
Die kleinen sind super aktiv und neugierig
Die bewegen sich so schnell, da ist es schwer kein verwackeltes Foto zu machen
Viel klüger als Straußenküken
Beim fotografieren, pickten die kleinen Tiger immer wieder gegen meine Linse und fanden das Band meiner Kamera super spannend



Wenn dich dein Equipment im Stich lässt

Man kann noch so gut ausgebildete Pferde haben, wenn einem am Ende die Ausrüstung im Stich lässt... Das mussten Sara und ich schmerzhaft miterleben. 

Der nahende Trail sollte auch einen Tag auf den Spuren der Ahnen von Koiimasis beinhalten. Hoch in den Bergen gibt es einen faszinierenden Felsen, der wie ein Zelt geformt ist – ich nenne ihn das Buschmann Zelt. Sara und ich machten uns also an einem Tag auf diesen Felsen zu finden, bzw. den Weg dorthin – an dem Tag war also definitiv der Weg mein Ziel. Ich war bisher erst zweimal dort oben gewesen, einmal 2017 mit Tommy und letztes Jahr mit Marius. Weshalb ich den Richtigen Aufstiegspunkt nicht mehr so genau wusste. Wir probierten drei verschiedene Stellen aus, wobei es natürlich die Letzte war, die stimmte. Unsere Pferde krakselten ganz schön durch die Berge und ich bin immer wieder erstaunt was die roten Granitfelsen für einen guten Gripp bieten. Zu guter Letzt fanden wir aber was wir suchten und ich machte zur Sicherheit ein Foto von der Stelle, an der die Pferde hochmüssen.

Wir hatten trotzdem einen unglaublichen Blick
Buschfrau Sara
Auch Mokka ließ seinen Blick schweifen

Nachdem wir doch etwas länger gebraucht hatten, die Richtige Stelle und damit auch das Zelt zu finden. Legten wir auf dem Rückweg einen Zahn zu. Es gab ja am Cowboycamp noch so einiges zu tun. Attila und Mokka galoppierten flott vorwärts, währen wir in den Bügeln standen und das Tempo genossen – als sich plötzlich Saras Steigbügel löste. Sie hatte keine Chance und fiel direkt vom Pferd. Sehr hart auf den Rücken. Mein Pferd wiederum erschreckte sich derartig vor dem blitzenden Bügel, der ihm entgegenkam, dass er einen ruckartigen Satz zur Seite machte, der mich dann auch den Boden küssen ließ – im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich tunkte mein Gesicht in den Sand. Ich berappelte mich schnell wieder und blickte panisch zu Sara rüber, die sich im ersten Moment nicht rührte: „alles klar bei dir? Lebst du noch?“. Sie lebte noch, hatte sich aber ordentlich weh getan. Die Pferde waren natürlich vor Schreck weiter gerannt und mit unserem Sattelzeug und Saras Bauchtasche (in der unser Schlüssel war) auf und davon gebraust. Ich lief schnell in Richtung des Stalls, um wieder Handyempfang zu bekommen und erwischte Wulff gerade noch, als er bereits gen Windhoek aufgebrochen war. Er kam mit dem Auto und den Jungs angefahren und sammelte die arme Sara ein, die immer noch ganz verdattert war. Zum Glück waren die zwei Pferde nicht sonderlich weit gekommen, so dass wir sie wieder einfangen konnten. Einen Zügel hatte ich verloren, band aber einfach den langen Westernzügel an der anderen Seite des Gebisses von Mokka fest, um ihn zum Stall zurück reiten zu können. Ashley kümmerte sich um Attila. Auf dem Weg verglichen wir unsere schlimmsten Sturz-Geschichten und kamen zu dem Schluss: „Horseriding is not for pussys!“ 

Am Abend inspizierte ich meine Wunden. Außer zahlreicher blauer Flecken und aufgeschürfter Unterarme war ich heile davongekommen. Sara hatte es wesentlich schlimmer erwischt. Ihre komplette Lende war aufgeschürft und sie hatte einen heftigen Schlag gegen den Kopf bekommen. Außerdem war eine dicke Strähne ihrer Haare in der Mütze zurückgeblieben – skalpiert!
Einen Tag später überprüfte ich den Sattel und reparierte die lockere Schachtel des Bügelriemen-verschlusses, der zu dem Unfall geführt hatte. Trotzdem machte ich mir große Vorwürfe, denn ich hätte die Sachen vorher checken müssen. In den 15 Jahren, die ich nun im Westernsattel sitze, ist mir so etwas noch nicht passiert. Dass sich dieses Teil lockern würde, mitten im Galopp war unvorhersehbar… und trotzdem….

Sara brauchte tatsächlich einige Tage, bis sie wieder einsatzfähig war und wird hoffentlich keine Narbe von ihrer schlimmen Schürfwunde zurückbehalten. Von da an checkte ich jeden Sattel doppelt und habe überall das entsprechende Teil im Schraubstock enger gemacht – sicher ist sicher!

Trotz Sicherheitsgurt haben uns diese zwei in den Sand gesetzt

Im nächsten Teil der kleinen, nicht so alltäglichen Alltagsgeschichten, geht es auch um exotische Tiere. Vielleicht wollt ihr ja schon einmal raten, was das sein könnte?

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