DIY a la Afrika – was man macht, wenn eben KEIN Tierarzt zur Stelle ist – Teil 1


Was geschieht, wenn Mensch einmal krank wird oder einen Unfall hat, habe ich ja bereits ausgiebig beschrieben. Aber was, wenn es bei den Vierbeinern einmal zwickt? Nun ja, da heißt es meistens einfach improvisieren, Augen zu und durch, geheult wird später.

Enorme Selbstheilungskräfte

In der Regel sind die Tiere hier extrem taff und machen das Meiste einfach mit sich selber aus. Tourie-Pony Roy hatte sich beispielsweise einmal, beim Ausladen aus der Lorry, schwer am Bein verletzt. Er bekam eine Zwangspause verordnet und ein halbes Jahr später war außer einer Narbe nichts mehr zu sehen. 

Als ich 2019 auf Koiimasis war, fragte mich Farmchef Wulff vorsichtig: „und wie läuft der Bobby so?“ Er lief super wie immer, vielleicht etwas übermütig, könnte mal wieder etwas Training vertragen, dachte ich. Die Frage kam mir komisch vor und ich hakte nach. „Och, der hatte ne ziemlich schwere Verletzung am Knie, Leopard oder so, hab ihn lange nicht mehr gesehen, aber schön, wenn er jetzt wieder fit ist.“

Die Pferde sind zum Teil übersäht mit verheilten Narben oder weißen Streifen im Fell, die von alten Verletzungen zeugen. Dadurch lassen sie sich aber keinesfalls unterkriegen. Die paar Schönheitsfehler interessieren in der Wüste sowieso niemanden. Das wilde, freie Leben, welches die Pferde auf dem Land der Izkos genießen dürfen, fordert halt manchmal seine Opfer, dennoch ist es die artgerechteste Haltung, die man einem solch wunderschönen, freiheitsliebenden Tier bieten kann.

Wilde Pferde auf Koiimasis

Koliken – mein persönlicher Albtraum

Als ich 2017 das erste Mal auf Koiimasis war, hatten wir – also die Pferde – viele Koliken und enorme Probleme damit. In einem langen Artikel hatte ich ausführlich beschrieben, wie Tommy und ich damals um das Leben meines Lieblingspferdes Josh gekämpft haben. Diesen Kampf haben wir zum Glück gewonnen, aber es geht leider nicht immer gut aus.

Mein Lieblingspony Josh und ich, April 2020

Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man

Die Ursache der 2017er Koliken hatten wir gefunden. Es war die Luzerne, die wir aufgrund der Trockenheit zugefüttert hatten. Die Pferde waren so geil auf das grüne Zeug, dass sie jedes kleinste Fitzelchen aus dem Sand fischten, wodurch sie diesen leider auch mitfraßen. Wie eine Sandkolik aussah, wusste ich also zu genüge.
Mittlerweile hatten wir auf Pellets oder wie man hierzulande sagt „Korrels“ umgestellt. Das funktionierte auch sehr gut, die Dinger wurden gerne gefressen und funktionierten prima, um die Ponys etwas zu mästen. Außerdem wurden die Reitpferde regelmäßig entwurmt, was ihnen sichtlich guttat.




Josh genießt seine Korrels

Ein kleiner Hengst reagierte eines Tages allerdings nicht sehr gut auf seine Wurm Injektion. Nach dem er das Wochenende vergnügt mit seinen Kumpels im Feld verbracht hatte, unterzog ich ihn am Montag einer kleinen Trainingseinheit, wobei er das darauffolgende Belohnungsfutter nicht komplett auffraß. Normalerweise kein Grund zur Sorge, manchmal schmeckt es ihnen einfach nicht. Am nächsten Morgen zeigte er jedoch eindeutige Kolik Symptome. Ich ließ ihn traben, wie ich es bei den vorangegangenen Koliken der letzten Jahre gelernt hatte. Am Nachmittag bekam er sichtlich starke Krämpfe. Ich zog Farmchef Wulff zurate. Dieser brachte Aktivkohle mit, um gegen eine mögliche Vergiftung anzukämpfen. Seine Symptome sprachen allerdings eindeutig für eine Verstopfungskolik: Krämpfe, Appetitlosigkeit, keine Darmgeräusche, niedriger Blutdruck und Wurmspuren in den paar Äppeln, die er sich mühsam rausquetschen konnte. Außerdem war er viel zu nett. Der braune Hengst hatte in den letzten Tagen deutlich auf sein Geschlecht hingewiesen und mit kleinen Dominanzspielchen mir gegenüber angefangen. Jetzt benahm er sich wie ein braves Lämmchen. Da seine Augen absolut klar waren, entschied ich mich gegen die Gabe von Kohlepaste, da Kohle eine Verstopfung noch forciert hätte.

Ambros rollt sich

Am nächsten Nachmittag verschlechterte sich sein Zustand, obwohl wir, nach einigen anständigen Kackhaufen vom Vormittag, schon aufgeatmet hatten. Spätestens jetzt hätte ich gerne einen Tierarzt an meiner Seite gehabt, um eine Nasen-Schlund-Sonde zu legen, also einen Schlauch, der durch ein Nasenloch den Hals hinunter in den Magen geführt wird. Zu diesem Zweck hatten wir extra Paraffinöl beim Tierarzthandel in Windhoek gekauft. Leider ist eine solche Prozedur selbst für einen gelernten Tierarzt nicht die einfachste Übung. Deshalb behalfen wir uns mit einer Art Pumpspritze, mit der man dem Pferd immer wieder eine Dosis von 20 ml Flüssigkeit ins Maul spritzen konnte. Ein Farmer, den Wulff gut kennt, hatte ihm zu dieser Methode geraten, er würde es selber auch immer so machen. Da sich keiner von uns traute dem Pferd einen Schlauch in die Nase zu schieben und ihm womöglich Öl in die Lunge zu gießen, hielt ich dies für eine gute Alternative.

Sein Kopf wird hochgehalten, damit er schluckt
Zwischendurch haben wir immer wieder kleine Pausen eingelegt, damit sich das Pferd, welches sich erstaunlicherweise fast überhaupt nicht wehrte, erholen konnte. Wir brauchten eine Ewigkeit für einen Liter Öl und stoppten die Prozedur danach. Dann bekam er noch eine Schmerzspritze, die schnell Wirkung zeigte. Mein Cowboy-Kollege Imanuel nahm Ambros, wie er ihn getauft hatte, mit zu seinem Haus und ließ ihn nachts im angeschlossenen Corral mehrfach traben. Er spazierte sogar mit ihm, seiner Freundin und seinem kleinen, vierjährigen Sohn über die Farm. Der Kleine war ganz vernarrt in das Pferd und freute sich jedes Mal auf den Spaziergang.

Ein langer Kampf

In den folgenden Tagen war es ein auf und ab. Ich konnte an den Äppeln erkennen, dass das Öl durch war, dennoch wiederholten wir die Prozedur am Freitag. Das Pferd wurde jedoch immer schlapper. Er lag sehr viel herum und verweigerte die energieliefernde Melasse, bis wir sie ihm dann irgendwann gewaltsam mit der Maulspritze einflößten. Sein Pulsschlag war erhöht, aber noch im akzeptablen Grenzbereich. Am Wochenende sorgten wir weiterhin für ausreichend Bewegung und er begann wieder normal zu äppeln und ein wenig zu fressen. Das veränderte sich dann am Wochenanfang. Das Pferd lag fast nur noch flach, hatte einen extrem erhöhten Pulsschlag und flüssigen Durchfall, da er außer Wasser und Salz nichts mehr zu sich nahm.

Am Wochenende war Wulff in die Stadt gefahren und ich bat ihn Elektrolyte und andere Aufbaupräparate mitzubringen, um dem Kleinen wieder Dampf zu machen. Am Dienstag war ich dann ganz alleine am Stall, weil Imanuel anderen Verpflichtungen nachging.
Ich beobachtete Ambros die gesamte Zeit über. Das Pferd konnte kaum noch stehen und plumpste mit einem lauten Stöhnen um, wenn er sich einmal kurz aufgerappelt hatte. Er stand nur auf um zu trinken und Salz zu lecken – ich bildete mir ein, dass das zumindest noch ein Zeichen dafür war, dass er noch nicht aufgegeben hatte. Die meiste Zeit lag sein Kopf flach im Sand und er ächzte. Die wilden Pferde liegen eigentlich sehr wenig, da sie immer von allen Seiten auf Raubtiere gefasst sein müssen. Ich konnte es kaum mehr mit ansehen. Wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, ich hätte ihn spätestens zu diesem Zeitpunkt erlöst. Ich dachte schon an eine Überdosis Schmerzmittel... Aber konnte ich das Pferd eines Anderen töten? Es war ja nicht mein Pferd. Könnte ich überhaupt ein Pferd töten? Wenn ich so zurückdenke, wie sich das Pferd gequält hat, ich hätte es wohl gekonnt. Ihn am Leben zu halten war nur noch grausam! Am Abend bekam er wieder eine Schmerzspritze und war nicht mehr dazu zubekommen mit Imanuel den einen Kilometer zu seinem Corral zu laufen. Also ließen wir ihn bei seinen Kumpels draußen…

Morgens stand er nicht mit den anderen hungrigen Pferden vor der Tür. Ich hatte an dem Tag eine Tour mit einem netten Ehepaar aus der Nähe von Köln. Kurz bevor wir losreiten wollten, winkte Imanuel mich zu sich. Er hatte Ambros gefunden. Er lag nicht weit von meinem Haus entfernt, hinter einem Busch – Tot!

Immer schön lächeln

Wenigstens war er bei seinen Freunden

Ich versuchte mir auf der Tour nichts anmerken zu lassen und mimte die gut gelaunte Reiseleiterin. Am Abend kam dann die Medizin aus Windhoek, zusammen mit Wulff und Anke, auf Koiimasis an. Zum Glück machte mir niemand Vorwürfe. „Sowas passiert hier eben manchmal,“ sagte Wulff „wenn das jetzt eines der Reitpferde gewesen wäre, dann hätten wir es in die Lorry gepackt und wären nach Windhoek gefahren, ganz bestimmt, aber so ist das noch nicht so ein großer Verlust.“ Das sagt sich so leicht, er hat den Todeskampf ja nicht mit ansehen müssen, so wie ich.

Ambros kurz bevor alles anfing. Ich habe leider kaum Fotos von ihm gemacht, weil ich dachte ich hätte noch ewig Zeit dafür…
Rätsel raten und Selbstzweifel

Wulff und Imanuel schnitten das Tier im Anschluss auf und schauten, was die Kolik verursacht haben könnte. Das Ergebnis war leider nicht eindeutig. Auch weil das Tier schon so lange tot und bei Temperaturen über 40 Grad die Verwesung schon sehr weit fortgeschritten war. Es zeigten sich deutliche Wurmspuren im Magen und auch im Darm wurde Sand gefunden, allerdings nicht so viel, dass es als eindeutige Ursache auszumachen war.

Wir fragten uns natürlich, ob es nicht vielleicht doch eine Vergiftung gewesen war, die mit der Kohle hätte eingedämmt werden können. Da aber ganz eindeutig alle Zeichen auf Verstopfung standen, hätte ich mich immer wieder so entschieden. Um es genauer zu sagen, das tat ich eine Woche später auch, als ein weiterer junger Wallach dieselben Symptome zeigte. Dessen Kolik war nach 2 Tagen ausgestanden und er hüpft jetzt fröhlich durch die Savanne.

Dr. Bob – Pferd Bobby und ich scheuchen den Kolik Patienten, weil ich zu faul zum Selberlaufen war

Immer auf die Kleinen

Koliken sind das eine, aber: „there are many ways to kill a cat!“ Unsere guten Pferde denken sich immer wieder neue Dinge aus, mit denen sie meine Nervenstärke testen können. Ein kleiner Hengst, dem wir den Arbeitstitel „das Pony“ gaben, weil er nur knappe 1,40 Meter maß, kam mit einer tiefen Wunde im Cowboycamp an.

Neue Hengste sind angekommen! Wer genau hinschaut erkennt bei dem vorderen Pferd eine Verletzung an der Schulter
Wir wussten nicht, woher er die hatte. Die Jungs tippten auf Pferdebiss, aber dafür war die Wunde eindeutig zu rund und viel zu tief. An seiner linken Schulter prangte ein ca. 5x5 cm großes Loch, was sicher 15 cm tief rein ging. Als hätte ihm jemand ein großes Stück Fleisch ausgestanzt – sorry für die bildhafte Beschreibung. Wir schnappten uns das Pony und spülten die Wunde mit dem Wasserschlauch aus, wodurch jede Menge stinkender Eiter zum Vorschein kam. Imanuel, der da nichts kennt, packte mit seinen Fingern hinein und stellte fest, dass in dem Hohlraum bereits jede Menge Dreck in Form von Sand, Heu und Steinen zu finden war. Wir wussten, die Tasche musste geöffnet werden. In Ermangelung jeglicher Betäubungsmittel (die standen auf der Einkaufsliste für die nächste Fahrt nach Windhoek) schnitten wir mit einem Skalpell ein Loch in das untere Ende der Tasche, wodurch der Eiter und Dreck ausgespült werden konnte. Der kleine Hengst machte große Augen, blieb aber erstaunlich brav und ergab sich seinem Schicksal. Zunähen ging leider nicht mehr, da kein Hautlappen vorhanden war und man das umliegende Gewebe nicht hätte zusammenziehen können. Somit spülten wir die Wunde täglich und spritzten Debrizyme hinein, ein Mittel, welches bei inneren Verletzungen wirklich Wunder wirkt. Ein paar Tage später zeigte ich das Foto einer Tierärztin in Windhoek und sie bestätigte, dass wir alles richtig gemacht hatten: „einfach spülen, spülen, spülen, was anderes kann man da nicht machen.“

Das Bild hat sogar der Tierärztin einen Schrecken eingejagt
Das Sprühzeug bewirkte tatsächlich die versprochenen Wunder und die Wunde begann sich schnell von innen heraus zu schließen – Puh!

Wer hat sich hier schon wieder zu früh gefreut?

Apropos Puh!? Wer sich zu früh freut, den bestraft das Leben – oder wie geht der Spruch nochmal? Unsere verrückten, jungen Hengste kämpften nun mal gerne und einer stellte sich als ein besonders streitsüchtiges Exemplar heraus. Mit diesem hatte sich das Pony (den ich mittlerweile in „Snickers“ umgetauft hatte, weil sein Vater „Balisto“ auch wie ein Schokoriegel hieß) einmal zu viel angelegt. Als ich Snickers reintrieb und er vor mir her trabte sah ich das Übel. Sein Kampfpartner hatte wohl in den Wundrand, oberhalb des Loches gebissen und einen Hautlappen von annähernd der Größe einer DIN A4 Seite nach oben hin weggerissen. Beim Traben schlappte der Lappen wie ein müdes Hunde Ohr auf und nieder – flap, flap, flap.

Angeblich sind Pferde ja Vegetarier, aber das sieht mir nicht danach aus…
Da es längst zu spät war, um den Lappen wieder anzunähen, beschlossen wir ihn abzuschneiden, damit sich nichts infizierte. Zum Glück hatten wir einige Fläschchen Betäubungsmittel aus Windhoek mitgebracht, als ich wegen meines verknacksten Rückens dort war. Snickers benahm sich wie immer einwandfrei und ließ uns den Lappen ohne große Gegenwehr entfernen. Das abgeschnittene Fellstück wurde stolz präsentiert. Die Jungs schlugen vor daraus Biltong (= Trockenfleisch) zu machen und ich dachte über eine hübsche Handtasche nach oder ein nettes Toupet? 

Sauber abgetrennt - nun hieß es zweimal am Tag spülen und mit Wundöl einsprühen
Noch jemand Hunger? Nein? Komisch…
Nach drei Woche sah es schon viel besser aus

Langsam werde ich abergläubisch!

Ich hatte diesen Artikel bereits fertig – schon hochgeladen und gelayoutet, ich hätte nur noch auf den „Veröffentlichen-Button“ drücken müssen… Und dann passierten an einem Tag gleich zwei Ereignisse, die auch noch schnell in diesen Artikel gequetscht werden mussten.

Karfreitag 2020

Feiertag, auch in Namibia, aber wir wollten ja nur schnell die Pferde in die Lorry laden. Wulff machte solche „Außer der Reihe“-Erledigungen immer gerne an Tagen, an denen ihm kein Alltagsgeschäft dazwischenfunken konnte. Da es auf Koiimasis immer noch nicht geregnet hatte, hatte ich Wulff endlich so weit, dass meine Reitpferde auf die Zweitfarm Korais, auf der es in diesem Jahr gut geregnet hatte, umziehen durften. Mittlerweile war es auf Koiimasis so trocken, dass die Pferde so hoch in die Berge gingen, dass es gefährlich wurde. Wulffs Sohn Tommy hatte so eine Woche zuvor zwei Reitpferde verloren. Eines war zwischen den Felsen stecken geblieben und ist dort elendig krepiert, ein anderes hatte sich das Bein gebrochen und musste erlöst werden. Diese Ereignisse waren dann der endgültige Weckruf, der Wulff dazu bewegte unsere wertvollen Reitpferde, die ja dank Corona zurzeit sowieso keine Tour gehen konnten, zu verladen und nach Korais zu fahren.

Da denkt man das Verladen wäre das Gefährlichste…

„Caz Olenas Mazel Tov“ ist einer unserer Zuchthengste. Wenn er fett ist, ist er ein wirklich wunderschönes Tier. Als junges Pferd brach er sich ein Bein und war als Reitpferd nicht zu gebrauchen. Als Zuchthengst hat er aber schon viele wunderschöne Fohlen produziert. Jetzt sollte er eine Pause von seinen Pflichten als Herdenchef einlegen, um auf Korais wieder zu Kräften zu kommen.
Mazel Tov 2018 nachdem es auf Koiimasis geregnet hatte
Als er Freitagmorgen mit den anderen Pferden ins Cowboycamp marschierte, war sein gesamter Maulbereich extrem dick und geschwollen. „Schlangenbiss“, tippte Imanuel. „Oh mein Gott, wird er sterben?“, fragte ich entsetzt. Imanuel antwortete, dass er dann wohl bereits tot wäre und zuckte mit den Schultern. Mehr war nicht aus ihm rauszubekommen. Manchmal machte mich dieses Schulterzucken echt irre! 
Da sich das Pferd aber ganz normal aufführte, fraß und trank machte ich mir keine weiteren Sorgen.  Als er paar Stunden später immer noch lebte, tippte ich eher auf einen schmerzhaften, aber nicht tödlichen Skorpionstich…. Wir werden es wohl nie erfahren.

Das dickste an diesem Pferd ist gerade wirklich die Nase

Zwischenfall Nummer zwei

So weit so gut, das Verladen klappte unfallfrei und 12 Pferde waren auf dem Weg ins Land, wo Milch und Honig fließt. Imanuel und ich blieben am Cowboycamp zurück und verfrachteten die übrigen sechs Pferde, welche am nächsten Tag geladen werden sollten, in den großen Paddock im hinteren Bereich des Camps. Ich verteilte einen großen Eimer Korrels, in dem langen Trog mitten im Gehege, auf den sich die Pferde direkt stürzten.

Nach wenigen Minuten fing Titan (das Pferd das auch schon seinen ganz eigenen Blogartikel hat) an sich zu rollen und zu flehmen (= die Oberlippe hochziehen). Ich scheuchte ihn hoch und verfluchte ihn, weil ich endlich Feierabend machen wollte. Da das aber nichts half und ich wusste, dass ich sowieso nicht schlafen könnte, mit dem Wissen, dass eines der Pferde krank ist, rief ich Imanuel zu, er sollte mir bitte noch eben helfen Titan einzufangen, damit ich ihn traben lassen konnte. „Das ist keine Kolik, ihm steckt etwas im Hals“, rief mir Imanuel auf Englisch zu. SCHLUNDVERSTOPFUNG! Mein innerer Alarm ging los. Mit Schlund Verstopfungen ist nicht zu spaßen! Hier habe ich schon Horrorstorys mitbekommen, bei denen sogar erfahrene Tierärzte die Segel streichen mussten. „Nein, das ist sicher ne Kolik, dabei Flehmen die auch schon mal, sonst würde er ja husten“, rief ich ihm zu und hoffte wirklich, dass er sich vertan hatte.

Imanuel stellte Titan in den Roundpen und uns war schnell klar: es war tatsächlich eine Schlund Verstopfung. Das Pferd war binnen weniger Minuten klitschenass geschwitzt und sein Hals verkrampfte sich bei dem Versuch zu schlucken. Er lehnte sich seltsam nach hinten und streckte seinen Kopf lang nach vorne aus, um ihn dann in einer Art Krampf wieder einzuziehen. Wie bei einem Hund der kotzt, nur dass Pferde halt nicht kotzen können. Es sah entsetzlich aus, als würde er jeden Moment tot umfallen. Er flehmte weiterhin und atmete sehr, sehr schwer und flach.
Wir stellten uns an den Zaun des Roundpen und überlegten was wir tun konnten. Ich wusste, dass man dies in Deutschland mit einem Schlauch in die Speiseröhre und Wasser Einlauf probieren würde. So hatte es meine Tierärztin zumindest mal bei einem Shetty gemacht, bei dessen Schlundverstopfung ich assistierte. Damals dauerte es fast den ganzen Tag, bis die Verstopfung gelöst und das Pony wieder ok war.

Plötzlich lief Titan ein großer Kleks Sabber aus Mund und Nase. „Weiter so Junge“, rief ich ihm zu. Er starrte aber nur panisch geradeaus und atmete kaum noch. Ich fragte mich warum der Idiot nicht einfach hustete, das wäre doch das normale Verhalten bei einem solchen Verschluss – wenn man was im Hals stecken hat, hustet man! Aber das Pferd blieb komplett lautlos. „Wollen wir mal versuchen seinen Hals zu massieren?“, fragte ich Imanuel. „Wo denn, es kann doch überall sein, auch tief unten“, erwiderte er schulterzuckend. „Naja, besser als nicht zu tun“, rief ich verärgert und rannte zu dem Pferd hin. Durch die Massage merkte ich schnell, dass das Problem direkt an der Kehle oder kurz dahinter sitzen musste. Dort vernahm ich komische, glucksende Geräusche. Ich massierte fester aber nichts passierte. Jetzt wurde sogar Imanuel „Mr. Schulterzucken“ nervös: „Oh, fuck!“

Titans Augen waren panisch geweitet und seine Beine zitterten – Scheiße der verreckt uns gleich, dachte ich. Dann fiel mir die Dosierpumpe wieder ein, die wir zwei Monate zuvor für Ambros Kolik eingesetzt hatten. Ich rannte los und befüllte sie mit Wasser. Imanuel steckte dem Pferd das Gerät tief ins Maul und spritzte Wasser hinein. Noch einmal und noch einmal! Nach 3 oder 4 kräftigen Spritzern schluckte das Pferd plötzlich und entspannte sich augenblicklich. Wir gaben ihm noch ein paar Dosen hinterher, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Titan schluckte das Wasser, atmete tief durch und linste bereits zu seinen Artgenossen rüber, die noch am Futtertrog standen. Vorsichtshalber warteten wir, bis diese aufgefressen hatten, bevor wir den großen Schimmel wieder zu ihnen ließen.

Imanuel, Titan und die Maulspritze - als das Bild entstand war der Spuk bereits vorbei

Die ganze Aktion dauerte nur wenige Minuten, hat meinen Adrenalinpegel aber ins unermessliche hochkatapultiert. Immer noch atemlos hinterließ ich Wulff eine Sprachnachricht, in der ich ihm von unserer Heldentat berichtete.
Das war verdammt knapp! Hätte ich nicht noch darauf bestanden den Wassertrog aufzufüllen und die Eimer wegzuräumen, hätte das keiner mitbekommen und der Gaul wäre mit Sicherheit binnen weniger Minuten verreckt!
Am nächsten morgen stand er entspannt zwischen seinen Pferdekollegen, als wäre nichts gewesen…

So, das war der erste Teil „DIY a la Afrika“, in Teil 2 geht es dann etwas geplanter, aber auch wesentlich wilder und blutiger vonstatten, denn dann berichte ich euch von den Kastrationen, die wir hier natürlich auch nicht von einem Tierarzt durchführen lassen…

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