Ranch Roping – Kühe fangen leicht gemacht

Oder ‚How to be a real Cowgirl‘

In meinem ‚Wild Wild West‘ Artikel hatte ich bereits beschrieben wie die Rinder hier leben und dass ein Viehtrieb via Pferd wesentlich stressfreier für die Wiederkäuer ist. Auf dieser namibischen Ranch werden die Rinder noch ganz traditionell gearbeitet, wie zum Teil heute noch im ‚wilden Westen‘ der USA. Zur Ranchwork gehört aber auch der etwas rauere Teil der Rinderarbeit das Markieren, sprich die Rinder müssen Ohrmarken mit ihrer Identifikationsnummer erhalten sowie das Brandzeichen der Ranch. Sonst kann man sie nicht verkaufen und nicht einfordern falls sie einmal ausbrechen sollten. 

Darf ich vorstellen Josh – ein halbes Wildpferd

Rinderarbeit – nix für schwache Nerven

Die Tiere sind sehr scheu, was auch gut so ist, denn eine vertrauensselige Kuh, welche nicht stets um ihr Leben besorgt ist, wird schnell zum Opfer eines Raubtieres. Leoparden, Geparde, Hyänen und auch giftige Schlangen sind hier allgegenwärtig. Dadurch sieht die Rinderarbeit leider auch immer etwas brutal aus. Anfangs war ich regelrecht entsetzt, aber ich versichere euch, die Prozedur dauert nur wenige Minuten, dann ist das Tier wieder frei und darf zu seinen Artgenossen zurückkehren.

Rinderarbeit vom Boden aus

Königsdisziplin – Ranchwork zu Pferde

Es gibt natürlich auch die Möglichkeit die Rinder durch einen schmalen Gang in eine sogenannte Manga zu treiben. Das ist eine Konstruktion bei der man den Kopf der Kuh fixiert, indem der Hals eingeklemmt wird und sie somit weder vor noch zurück kann. Diese Prozedur ist aber auch nicht wesentlich Stress- oder Schmerzfreier für das Tier, außerdem verfügt nicht jede Farm über ein derartiges Hilfsmittel. Auf der Nachbarsfarm ‚Landsberg‘ habe ich einmal miterlebt, wie einer jungen Färse (Kuh die noch nicht gekalbt hat) dabei ein Horn abgebrochen ist. Das dürfte ganz schön schmerzhaft gewesen sein, denn es hat ordentlich geblutet. Hat man also keine Manga zur Verfügung ist der schnellste, einfachste und somit auch stressfreiste Weg das Rind via Pferd einzufangen und zu fixieren, man nennt diesen Vorgang ‚Roping‘. Wie im Westernmovie mit dem Lasso, bzw. wie man hier sagt mit dem Rope.

Das ABC des Ropens – Freda lernt Lassowerfen

Während meiner Zeit auf Koiimasis durfte ich mich auch am Rope versuchen und erhielt von Tommy einen kleinen ‚Grundkurs‘ in Sachen Lassowerfen – äh ja sorry, Ropen. Zu Beginn natürlich nur an einer eisernen Kuh, die sich nicht bewegen und mich platt machen kann und der ich im Gegenzug natürlich auch nicht weh tun konnte, versteht sich.

Kleines Vokabeltraining gefällig?

Ich muss euch sagen, es ist gar nicht so einfach die Wurfschlinge bzw. das Loop korrekt, aus dem Handgelenk heraus über dem Kopf, kreisen zu lassen. Dabei muss man auf jede Menge Kleinigkeiten achten und alles gleichzeitig koordinieren. Und dann gibt es auch noch komplett unterschiedliche Würfe (angeblich 30 Verschiedene), je nachdem was man fangen will, den Kopf oder die Füße und aus welcher Richtung man wirft (von links, rechts, vor oder hinter dem Zielobjekt). So eine Kuh steht ja nicht immer nur bewegungslos herum, im Gegenteil die sind ganz schön flink.

Der Wurf aus dieser Richtung fiel mir noch relativ leicht
Steht man links zur Kuh muss das Loop komplett anders geschwungen und geworfen werden

Nach einigen kläglichen Versuchen, bei denen ich nur mich selber gefangen, meine Cappy runter geworfen, meine Finger geklemmt und hemmungslos geflucht hatte, bekam ich ‚den Dreh‘ irgendwann raus und habe die ‚klein kak koei‘ tatsächlich erwischt. „Das hat noch keiner so schnell gelernt“, staunte Tommy. Ich war mega stolz – ich als absoluter Bewegungslegastheniker!
Als er mir dann, am nächsten Tag, den Wurf von der anderen Seite (links von der Kuh stehend) zeigte, musste ich noch einmal komplett umdenken. Dabei habe ich „das blöde Seil“, „du meinst das Rope“, verflucht: „das blöde Ding will nicht, das ist kaputt, ne im Ernst, das klappt so nicht, – verdammich!“ Als Antwort bekam ich nur ein sarkastisches: „ja klar das Rope ist Schuld“, zusammen mit einem vorwurfsvoll spöttischen Blick. „Grrr hast ja Recht, also nochmal“. Nach etwas mehr Üben klappte dann aber auch diese Seite. Da soll mich nochmal einer Körperklaus nennen, HA!

Step 2 – vom Boden kann ja jeder

Nachdem mir das Metallkuh fangen zu langweilig wurde, sollte ich das erste Mal vom Pferd mit dem Rope hantieren. Auch hier musste ich zu Beginn die Basis beherrschen. Tommy band das Rope am Zaun des Reitplatzes fest, mit der Bitte: „schau nur, dass du den Zaun nicht zerstörst.“ – Ich garantiere für nix.

Bei dieser Übung habe mir direkt mal ne Blase am rechten Mittelfinger zugezogen – autsch

Zuerst lernte ich das Rope, vom Pferd aus, aufzuwickeln (nicht zu groß sonst tritt das Pferd rein und nicht zu klein, sonst verheddern sich die Ringe) um es dann um das Horn des Westernsattels zu schlingen – anderthalb Mal, gegen den Uhrzeigersinn, dann hält das angeblich die stärkste Kuh. Daraufhin muss das Pferd, dessen Zügel man zusammen mit den Loops in der linken Hand hält, rückwärts gehen. Die rechte Hand bremst und kontrolliert das Seil, welches man erstmal langsam um das Horn herum gleiten lässt (Dally-roping), so dass der Abstand zum gefangenen Rind äh Zaun, größer wird. Hält man es fest und lässt es nicht gleiten, übt das Pferd einen enormen Druck aus – ah, deshalb die Warnung mit dem Zaun – knack.
Anfangs ist mir das „verdammte drecks Seil“ dauernd vom Horn geflutscht, oder ich hielt das Rope oder meine Hand im falschen Winkel. Die richtige Handhaltung (immer mit Daumen hoch) ist sehr wichtig, denn sonst ist schnell ein Finger ab. „Es gibt viele Cowboys ohne Daumen und kleinem Finger, die können dann nicht mehr den hier machen“, erzählte Tommy und machte das „Hang Loose“ Zeichen mit seinen Fingern – Oh man, alles in diesem Land versucht mich umzubringen oder zu verstümmeln…

Tauziehen? Das Pferd könnte problemlos den Zaun herausreißen

Aber auch diese Übung hatte ich nach circa einer Stunde raus. „Normalerweise wird noch viel mehr geflucht“, bemerkte Tommy, sichtlich beeindruckt von meiner schnellen Auffassungsgabe. Ich wiederum war einfach nur mega stolz auf mein Pony. Der kleine Josch hat bei der ganzen Sache super mitgemacht und mir auch (hoffentlich) nicht übel genommen, dass ich anfangs etwas ungeschickt mit den Zügeln in seinem Maul herumgezerrt habe. Die Koordination der Loops in der linken Hand (dem aufgerollten Ende des Ropes), der Zügel, dem Dally also dem mittleren Teil der ums Horn gewickelt ist und natürlich dem Teil des Ropes das aktuell am Zaun (später am Rind) befestigt ist, außerdem den Sporen, sowie den Bein- und Gewichtshilfen ist echt kompliziert. Manchmal hat man das Gefühl, das blöde Tau hat ein Eigenleben und windet sich nur in die Richtung die ihm gerade passt.

Step 3 – die Kuh aus Holz

Nach nur zwei Tagen hatte ich diese Basics verinnerlicht und war bereit für den nächsten Schritt. „Wenn du die Basis erstmal drauf hast ist das hier ganz easy peasy“, prophezeite Tommy und zeigte auf die knapp einen Meter langen Holzbalken, die er mitgebracht hatte.
Wenn man ein Rind gefangen hat, muss es bewegt und fixiert werden können, damit die Bodencrew an geeigneter Stelle mit der Arbeit, dem Markieren und ggf. Kastrieren, beginnen kann. Ich machte mein Rope an besagtem Balken fest um die gefangene Kuh zu simulieren. Naja, so ein Stückchen Holz ist natürlich viel leichter als eine halbe Tonne Rindvieh, aber es ging ja immer noch um die Basics. Nachdem ich die Grundlagen bereits begriffen hatte, fiel mir das Ziehen tatsächlich nicht mehr schwer.

Zuerst lässt man das Dally gleiten während das Pferd rückwärts geht

Dann zieht man das Objekt ein Stück mit

Wer's immer noch nicht glaubt, hier der endgültige Beweis – das Video zeigt die kompletten Manöver – Fredas Roping Skills“:

 

Auch hier muss man das Rope, nachdem man es um das Horn gewickelt hat, zuerst ein Stückchen gleiten lassen um genügend Abstand zum Pferd zu bekommen. Zuerst geht das Pferd dafür ein paar Schritte rückwärts, dann bewegt man die Vorhand (Vorderbeine des Pferdes) so weit bis man einen ca. 30 Grad Winkel mit der Rückenlinie des Pferdes und dem Rope, an dem die Attrappe hängt, bildet. Man bewegt das Pferd nun Vorwärts-Seitwärts in einer Art Traversale, nur so kann man den Winkel beibehalten. Hält man den Winkel nicht ein kann es schnell passieren, dass einen das Rind einwickelt und man am Boden landet. Ist man an seinem Ziel angekommen heißt es „Pop the Dally“ und man zieht das Rope nach oben hin weg, damit sich die Schlinge um das Horn löst.

Die Kuh ist erlegt
Kornkreise? Aliens? Spuren im Sand… So sieht der Trainingsplatz am Ende aus

Horsemanship heißt das Zauberwort

Bei der gesamten Prozedur ist die Mitarbeit des Pferdes entscheidend. Für die Nichtreiter, die dies hier lesen, hört sich das alles wahrscheinlich ganz easy an, ein bisschen Koordination und das war‘s. So ist es aber ganz und gar nicht. Ein Pferd ist zum einen ein Fluchttier und fürchtet solche am Boden liegenden und auf es zu kommenden Gegenstände – könnte ja eine Schlange sein, oder schlimmer! Und zum anderen heißt es nicht, nur weil man ‚Knopf X‘ drückt, dass man es auch tatsächlich richtig gemacht hat und das Pferd versteht was man von ihm will. „Ein Pferd ist nur so gut wie sein Reiter!“
Man muss jedes Pferdebein einzeln steuern können, da man aber alle Hände voll zu tun hat, mit Kuh und Rope, soll das Pferd auf allerfeinste Gewichtsverlagerungen reagieren. Sowas tut ein Pferd aber nicht mal eben so, das erfordert ausgiebiges Training. Hierbei muss die Sensibilität auf die Hilfen des Reiters geschult werden, genauso wie die Gelassenheit gegenüber potenziellen Gefahren. Springt das Pferd weg, nur weil es vom Rope berührt wurde, kann das katastrophale Folgen haben – Daumen ade. Das Pferd muss seinem Reiter vertrauen und der Reiter muss mit dem Pferd so kommunizieren, dass es die exakten Signale zur rechten Zeit erhält – aufs korrekte Timing kommt es an.

Pferdearbeit mit dem Arbeitspferd

Da sieht man mal wofür das ganzes Training den lieben langen Tag gut ist. Auch das Cowboyleben ist kein Ponyhof. Die Pferde hier werden für die Arbeit ausgebildet und nicht um drei vier Mal im Jahr auf nem Turnier ein buntes Schleifchen abzusahnen.
Tatsächlich gibt es auch sogenannte ‚Ranch Horse-Klassen‘ auf Westernturnieren, besonders in den USA. In Deutschland ist das Ropen am lebenden Objekt jedoch aus Tierschutzgründen untersagt, was ich persönlich sehr gut finde. So ein Roping Manöver ist natürlich immer noch ziemlicher Stress für das Rind und sollte nur für die zweckmäßige Rancharbeit eingesetzt werden, nicht zu reinen Show- oder Wettbewerbszwecken.

Step 4 vom Pferd aus werfen

Das Rope vom Pferd aus zu werfen, war dann die kleinste Übung. Der Winkel ist zwar etwas anders als vom Boden aus, dennoch war die Tonne schnell gefangen. Ich hatte bloß Angst dem armen Josh das Seil um die Ohren zu hauen. 

Das Pferd blieb verschont, ich habe wirklich nur die Tonne erwischt

Soviel zu meinem kleinen Roping Einsteigerkurs, ich bin gespannt, wann’s ans lebende Rind geht und mit wie vielen Fingern ich Ende Juni nach Hause fliegen werde.

Danke lieber Josh für deine Coolness und Danke Tommy fürs Film und Fotos machen

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Best of 2022 und 2023

DIY a la Afrika – Doktor Tommy – Teil 2